Gefaelschtes Gedaechtnis
dem Implantat fand. Wortlos reichte sie es Shapiro.
Kurzsichtig wie er war, hielt Shapiro das Foto auf Armeslänge und kniff skeptisch die Augen zusammen. Doch gleich darauf erschlafften seine Gesichtszüge, und er blickte auf. »Wo haben Sie das her?«, fragte er.
»Ein Neurochirurg hat es aus mir herausoperiert«, sagte McBride. »Vor knapp einer Woche.«
Shapiros Augen richteten sich wieder auf das Foto und studierten es lange. Schließlich schüttelte er kurz den Kopf und gab Adrienne das Foto zurück. »Kommen Sie mit rein«, sagte er.
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A uf eine Geste von Shapiro hin zogen sie sich die Schuhe aus. Die Innenausstattung der Hütte war ein minimalistisches Meisterwerk. Tatami-Matten auf gebürsteten Kiefernholzdielen, die Wände so weiß, als wären sie getüncht worden. Ein grüner Emailleofen stand an einem Ende des Raumes, der nur mit einem niedrigen Kieferntisch und einem halben Dutzend Kissen möbliert war. Ein Ikebana-Arrangement —eine einzige weiße Orchidee und zwei lange, geschwungene Halme getrocknetes Gras— stand auf denn Tisch.
Shapiro legte Glas Foto neben das Blumenarrangement. »Bitte«, sagte er, deutete auf die Kissen und verschwand hinter einer Shoji-Trennwand. Wenige Minuten später kam er mit einem Tablett, auf dem eine gedrungene Teekanne und drei kleine Tassen standen, wieder zurück und schenkte den Tee ein. McBride fiel auf, dass weder er noch Adrienne ein Wort gesprochen hatten, seit sie sich im Haus befanden.
Shapiro pustete kräftig auf seinen Tee, nahm einen kleinen Schluck und setzte die Tasse ab. Dann griff er nach dem Foto, hielt es ins Licht und betrachtete es mit prüfendem Blick. Schließlich schüttelte er den Kopf und sagte: »Mein Vermächtnis ...« Sein Mund verzog sich grimassenhaft.
Adrienne deutete mit dem Kinn auf das Foto. »Was würde dieses Ding mit einem Menschen anstellen?«, fragte sie. »Genau.«
Shapiro zuckte die Achseln. »Genau? Ich weiß es nicht. Ich müsste es auseinander nehmen — in einem Labor—, und selbst dann ... es ist viel Zeit vergangen.«
»Aber —«
»Wenn Sie herausfinden wollen, was das Ding hier mit einem macht oder machen könnte, müssen Sie sich einiges anlesen. Angefangen bei Delgado.«
»Wer ist Delgado?«, fragte Adrienne.
»Die Times hat vor über dreißig Jahren auf der ersten Seite einen Artikel über ihn gebracht«, erwiderte Shapiro. »Ich glaube, er war in Yale.« Er hielt inne und nippte an seinem Tee. »Sie haben auch ein Foto von ihm abgedruckt — wie er in der Stierkampfarena mit einem Sender steht — und der Stier direkt vor ihm auf ihn losgeht. Sagenhafte Show!«
»Und was ist passiert?«, fragte Adrienne.
»Tja, er hat den Stier gestoppt, mitten im Angriff. Ungeheuer dramatisch. Dann hat er einen zweiten Knopf gedrückt, und das Vieh hat kehrtgemacht und ist davongetrottet.«
»Also wie bei einem Elektroschock-Halsband«, mutmaßte Adrienne. »Oder einem elektrisch geladenen Zaun.«
»Oh nein — keineswegs«, berichtigte Shapiro. »So einfach war das beileibe nicht. Genau genommen war es ein doppelter Test — der erste Knopf aktivierte eine Elektrode, die den Motorkortex des Stiers steuerte. Der zweite Knopf manipulierte den Hippocampus, was die Wut des Tieres in Gleichgültigkeit verwandelte.«
McBride runzelte die Stirn. Das war nichts Neues für ihn. Als Student hatte er alles über Delgado gelesen. Wie alle anderen auch. »Was ist hiermit?«, fragte er und tippte mit dem Zeigefinger auf das Foto.
Zum ersten Mal wirkte Shapiro, als wäre ihm unbehaglich zu Mute. »Hören Sie«, sagte er. »Ich bin ein Dinosaurier. Ich bin aus dem Geschäft seit ...« Er bremste sich und lächelte. »... langer Zeit. Aber es gibt Dinge, über die ich nicht sprechen kann. Ich habe mich zur Verschwiegenheit verpflichtet. Also ...«
»Rein hypothetisch«, sagte Adrienne, um ihn zum Reden zu bewegen.
Shapiro seufzte. »Es könnte eine Miniaturversion von ... gewissen Geräten ... sein, mit denen ... irgendwann mal ... experimentiert wurde.«
McBride schnaubte angesichts der ausweichenden Umschreibung des alten Mannes, was ihm einen missbilligenden Blick von Shapiro eintrug.
Der alte Mann blickte Adrienne an und zuckte die Achseln. »In der allgemein zugänglichen Fachliteratur ist viel darüber geschrieben worden. Also verrate ich wohl kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, wonach es für mich aussieht.«
»Und das wäre?«
»Eine Tiefenelektrode.«
»Und was könnte man
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