Gefaelschtes Gedaechtnis
sich auf sie stürzte, als gäbe es kein Morgen mehr.
Es war ein Rausch der Sinne, bis sie schließlich ermattet dalagen und ihre neu gewonnene Intimität genossen.
Irgendwann gingen sie gemeinsam unter die Dusche, wo sie sich gegenseitig einseiften, was, wie beide wussten, nur auf eines hinauslaufen konnte. Sie liebten sich erneut, leidenschaftlich und erfinderisch, und sanken endlich erschöpft auf den Fußboden. Schließlich stand Adrienne auf, ging zum Waschbecken und trank Wasser aus der hohlen Hand. Als McBride zu ihr ins Bett kam, schlief sie bereits tief und fest, die Decke bis unters Kinn gezogen und ein kindliches Lächeln auf den Lippen.
Adrienne wachte als Erste auf und beschloss, McBride schlafen zu lassen. Sie mochte es, wie er so dalag, den rechten Arm über den Kopf gelegt — als würde er durch seine Träume hindurchschwimmen.
Sie schrieb einen Zettel: Hallo — bin in der Stadtbibliothek, Namen überprüfen. Bin bald zurück. In Liebe, A.
Nein.
Nicht >In Liebe<. Dazu war es noch viel zu früh. Sie hatte noch nie jemanden geliebt — nicht richtig, nicht so. Vielleicht war die letzte Nacht die erste von vielen Nächten, aber vielleicht auch nicht. Also zerriss sie den Zettel und schrieb einen zweiten, den sie auf die Ablage vor dem Spiegel im Badezimmer stellte, neben seine Zahnbürste:
Hallo — bin in der Stadtbibliothek.
Namen überprüfen. Bin gegen Mittag zurück.
Fleißige Biene
Sie fragte an der Rezeption nach dem Weg zur Bibliothek. Die Frau glotzte sie an, als wäre die Frage ein Scherz. »Stadtbibliothek? Tut mir Leid — ich hab keine Ahnung.«
Von einem Telefon in der Lobby aus erkundigte Adrienne sich bei der Auskunft nach der Nummer der Stadtbibliothek. Sie rief dort an und ließ sich den Weg beschreiben. Wie sich herausstellte, war die Bibliothek nur drei Querstraßen entfernt. Fünf Minuten später war sie dort. Und nach einer Stunde war sie fertig.
McBride lag noch im Bett, als sie zurückkam. Als er sie kommen hörte, reckte er sich genüsslich und stöhnte vor Verlangen. »Mmm. Komm her«, sagte er.
Adrienne fand die Aussicht verlockend. Es wäre schön, wieder ins Bett zu kriechen — und sich verführen zu lassen. Aber sie blieb, wo sie war, hielt einen Notizblock umklammert.
Er stützte sich auf einen Ellbogen, plötzlich ernst, besorgt. »Was ist los? Bedenken wegen letzter Nacht?«
»Nein.«
»Na Gott sei Dank. Weil — ich vielleicht verliebt bin. Ich glaube — ich glaube, ich bin verliebt. Willst du wirklich nicht ins Bett kommen?« Seine Stimme wurde träger, gespielt lüstern. »Du wirst es nicht bereuen.«
»Lew.«
Der ernste Klang ihrer Stimme zeigte Wirkung. »Okay«, sagte er und setzte sich auf. »Was ist los? Wo warst du?«
»In der Stadtbibliothek.«
»Oh. Und was hast du herausgefunden?« Er rieb sich den Schlaf aus den Augen und blickte sie übertrieben munter an.
»Luciano Albino«, sagte sie.
»Albino«, wiederholte er und zog die Augenbrauen hoch, während er sich zu erinnern versuchte. »Ach ja«, sagte er. »Die Liste. Und wer war er nun?«
Sie hielt ihm ihren Notizblock hin, damit er sehen konnte, was sie aufgeschrieben hatte. Er kniff die Augen zusammen.
Johannes Paul I.
»Ach du liebes bisschen«, murmelte er. »Den hat Crane also gemeint. Das ist Papa. Nach dem 2. Vatikanischen Konzil wurde gemunkelt, er wäre vergiftet worden.«
»Sie werden uns umbringen«, sagte sie.
Er schwieg eine ganze Weile. Schließlich sagte er: »lch weiß.«
»Was soll das heißen, du weißt?« ln ihrer Stimme lag ein leichtes Beben, und sie unterdrückte es, so gut sie konnte.
»Ich meine, ich weiß, dass sie es versuchen werden. Sie haben es ja schon versucht. Aber damit kommen sie nicht durch — ich meine, es wird ihnen nicht gelingen.«
»Wieso nicht?«, fragte sie und setzte sich aufs Bett.
»Weil wir Jagd auf sie machen.«
»Was?!«
»Wir machen Jagd auf sie! Ich bringe den Scheißkerl um«, schwor McBride.
»Wen?«
»Opdahl.«
»Bist du — verrückt?«
»Damit rechnet er am allerwenigsten«, sagte McBride.
»Natürlich — weil es das Dümmste ist, was du machen könntest!«
»Nein, ist es nicht. Das Dümmste, was ich machen könnte, ist, vor ihm wegzulaufen. Weil du irgendwann nicht mehr weißt, wohin.«
»Und was bringt es, ihn umzubringen?«, fragte sie. »Ich meine, angenommen, es gelingt dir — was es nicht wird!«
»Ich plädiere auf Notwehr. Du wirst meine Anwältin. Es gibt einen großen Prozess, und alles kommt ans
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