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Gefaelschtes Gedaechtnis

Titel: Gefaelschtes Gedaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John F. Case
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Einkaufstüte zurückkam, sah sie eine Frau in einem kastanienbraunen Kostüm auf Jack einreden.
    »Bist du ein braver Junge«, gurrte die Frau, »wartest schön auf Frauchen. Jawohl, ganz brav. Ein liebes Kerlchen.« Plötzlich richtete sie sich auf und warf Nico einen durchdringenden Blick zu. »Ich hoffe, Sie machen auch immer hinter ihm sauber.«
    »Oh ja«, sagte Nico verdutzt. »Das tue ich. Absolut.« Sie bückte sich, band Jack von der Parkuhr los und machte sich auf den Rückweg.
    Zu Hause angekommen, toastete sie einige Scheiben Baguette für ein Tomaten-Brie-Sandwich. Mit ihrem Brotmesser aus den Appalachen, das aussah wie ein Geigenbogen, schnitt sie ihre vollkommene Tomate in hauchdünne Scheiben. Und plötzlich merkte sie verwundert, dass sie weinte. Sie spürte, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen, aus heiterem Himmel, als würde sie eine Zwiebel und keine Tomate schneiden. Ohne ersichtlichen Grund. Es waren einfach ... Tränen.
    Sie war nicht traurig. Sie war nicht unglücklich. Sie war ... gar nichts. Die Frau vor Dean & DeLuca's war der Auslöser, die Frau, die so freundlich zu Jack gewesen war. Von solchen Menschen wurde einem schwer ums Herz. >Ich hoffe, Sie machen auch immer hinter ihm sauber!<, hatte sie gesagt, als würde irgendwas mit ihr nicht stimmen, als wäre irgendwas an Nico unsauber und verabscheuungswürdig. Das sah man in den Augen der Frau, hörte es in ihrer Stimme.
    Als das Sandwich fertig war, ging sie ins Wohnzimmer und setzte sich vor den Fernseher. Jack machte es sich zu ihren Füßen bequem, wartete darauf, dass sie aß und ihm etwas abgab - was sie auch tat, indem sie ein Stück von dem käsetriefenden Sandwich abriss. Sie war nicht mehr hungrig. Bloß ... betrübt.
    Sie schob das Sandwich weg, legte sich auf das rosa Samtsofa und drückte auf die Fernbedienung. Jack verschlang seinen kleinen Bissen, warf noch einen bedauernden Blick auf die lukullische Quelle und sprang dann hoch zu seinem Frauchen, um sich am Fußende der Couch zusammenzurollen und einzuschlafen. Träge kraulte Nico ihn hinter den Ohren, während der Morgen allmählich in den Nachmittag überblendete, während Talkshows durch Seifenopern und Sportsendungen verdrängt wurden.
    Eigenartig, wie schnell so etwas ging. Erst war sie beschwingt und bester Laune, und im nächsten Augenblick hatte sie zu nichts mehr Lust. Wo auch immer ihre Energie in den letzten Tagen hergekommen war, jetzt war sie verschwunden. Das Einzige, was sie tun wollte, das Einzige, wozu sie sich in der Lage fühlte, war, hier vor dem Fernseher zu liegen. Und es war wirklich völlig egal, was gerade lief. Es war deprimierend und ermüdend. Und das nicht bloß körperlich. Die Erschöpfung, die sie empfand, kam ebenso vom Herzen wie aus ihrem Körper. »Ich hoffe, Sie machen auch immer hinter ihm sauber! « Warum waren die Menschen so? Es war wirklich zum Weinen.
    Das Sandwich war verschwunden. Jack musste es gefressen haben. Gut so, sie hatte offenbar eine Ewigkeit auf der Couch gelegen und auf den Fernseher gestarrt, halb wach, ohne wirklich etwas wahrzunehmen. Und jetzt, obwohl sie so lange gelegen hatte, war sie noch müder als vorher. Sie schaffte es gerade einmal, sich aufzusetzen, was sie sofort bereute, weil ihr Hinterkopf dröhnte.
    Sie ging in die Küche, blieb eine Weile vor der kleinen Espressomaschine stehen und ging im Geist alle Schritte durch, die sie absolvieren musste, um sich eine Tasse Kaffee zu machen. Schließlich verwarf sie den Gedanken und trat hinaus auf den Balkon. Es war ein kühler, bewölkter Tag, als hätte sich ihre Stimmung auf die Welt um sie herum übertragen. Dann und wann rüttelte eine Windböe an den schmiedeeisernen Stäben des Geländers, und die Farnblätter schwankten. Die Pflanzen sahen ein bisschen kränklich aus, und .ihr kam in den Sinn, dass sie sie gießen und vielleicht auch düngen sollte. Oder sie hereinholen, es war fast soweit. Aber ihr war nicht danach. Ihr war nicht danach, irgendwelche Hausarbeiten zu erledigen. Ihr war nach —
    Plötzlich meldete sich der kleine Wecker an ihrem Handgelenk und erinnerte sie daran, dass sie ihre Medikamente nehmen und »zu Hause anrufen« sollte. Sie ging durch den Raum zu dem Tisch, auf dem ihr Laptop stand, und nahm die Computertasche, in der sie ihre Medikamente aufbewahrte. Sie öffnete den Reißverschluss von einem der Seitenfächer und holte die orangefarbenen Fläschchen heraus. Aber das mit dem Lithium war leer. Sie hatte vergessen,

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