Gefahrliche Sunden
Sightseeing-Touren hasse. Daher sei bitte du so nett und führ unseren Gast für mich herum.«
»Also gut.« Entschlossen stand sie auf. Am besten brächte sie es sofort hinter sich. »Gehen wir«, forderte sie den Fotografen auf und hoffte nur, dass Helmut sich nicht fragte, weshalb ihre Stimme plötzlich einen derart unfreundlichen Klang bekam.
Sie streckte ihre Hand nach ihrem Mantel aus, aber Reeves war schneller, nahm ihn von dem leeren Stuhl und hielt ihn ihr höflich auf. »Wir sind gleich wieder da.« Sie legte eine Hand auf Helmuts Schulter und blickte ihn lächelnd an
»Lasst euch ruhig Zeit.« Er tätschelte ihr väterlich die Hand. »Vielleicht stecke ich mir auch noch eine zweite Zigarette an.«
Reeves hielt ihr die Restauranttür auf, und sie stapfte an ihm vorbei, schob die Hände in die Taschen ihres Mantels, zog wegen der kalten Abendluft die Schultern hoch, lief mutig vor einem hupenden Touristenbus über die StraÃe und marschierte, sobald er ihr gefolgt war, los.
Reeves hielt sie am Ellenbogen fest. »Führst du Touristen immer im Laufschritt durch die Stadt?«
»Wag es ja nicht, dich über mich lustig zu machen, nach den fürchterlichen Dingen, die du mir erst gestern an den Kopf geworfen hast.«
»Du bist aber nicht gerade gastfreundlich«, fuhr er mit gut gelauntem Singsang fort.
Sie knirschte mit den Zähnen. »Du wolltest die Brücke sehen, also werde ich dir die verdammte Brücke zeigen. Doch warum hast du nicht einfach Helmuts Vorschlag abgelehnt, bist dort sitzen geblieben und hast eine mit ihm geraucht?«
»Ich habe wieder mit dem Rauchen aufgehört«, klärte er sie grinsend auf. »AuÃerdem will ich die Brücke wirklich sehen.«
Inzwischen hatten sie eine der beiden überdachten Brücken über der Reuss erreicht. Durch den Fluss wurde Luzern in den modernen Teil im Westen und die Altstadt im Osten aufgeteilt. Das klare Wasser rauschte unter ihren FüÃen, als sie das alte Holzkonstrukt betrat.
Mit tonloser, gelangweilter Touristenführerstimme setzte Jordan an: »Die Kapellbrücke stammt aus dem Mittelalter. Wie du siehst, weiÃt der Giebel eine Vielzahl
von Paneelen auf. Auf jedem Paneel sind zwei Gemälde angebracht, eins auf jeder Seite. In ihnen werden Ereignisse der Regionalgeschichte dargestellt. Die Gemälde stammen aus dem frühen sechzehnten Jahrhundert.«
»Wirklich interessant«, stellte er trocken fest.
»Der Vierwaldstätter See ist 114 Quadratkilometer groÃ, und vier Schweizer Kantone grenzen an ihn an. Er â¦Â«
»Jordan«, fiel er ihr harsch ins Wort und drehte sie unsanft zu sich um. »Warum lebst du nicht mit Helmut zusammen?«
»Das geht dich nichts an.« Das Dach der Holzbrücke warf ihre Stimme laut zurück, und ein wenig leiser wiederholte sie: »Das geht dich nichts an.«
»Oh doch.«
»Oh nein.«
»Oh doch, verdammt.«
Er bohrte seine Finger in das Fleisch von ihren Oberarmen, und trotz der dicken Kleidung, die sie trug, tat sein Griff ihr weh. Als sie zusammenzuckte, wurde ihm bewusst, wie fest er sie umklammert hielt, und sofort lieà er sie los. Sie lief weiter, wie wenn er nichts gesagt hätte.
»Warum?«, hakte er nach.
Froh, dass im Moment sonst niemand auf der Brücke war, fuhr sie zu ihm herum. »Weil ich es nicht will. Ich halte nichts davon, mit jemandem zusammenzuleben, ohne mit ihm verheiratet zu sein.« Er zog ungläubig eine seiner ausdrucksvollen Brauen hoch, und
sie fügte frustriert hinzu: »Das vorgestern Abend war ein ⦠Unfall. Das hatte weder ich noch du geplant. Es ist einfach ⦠passiert.« Sie sah ihn nicht an, blieb aber wieder stehen. Er zog sie an wie ein Magnet, und sie konnte deutlich spüren, dass er auf sie herunterstarrte, während sie verlegen vor sich auf den Boden sah. »Ich habe dir schon in der Nacht gesagt, dass ich niemand bin, der einfach so mit irgendwelchen Männern schläft. Wenn du mir vorgestern nicht geglaubt hast, wirst du es jetzt auch nicht tun. Aber das ist mir egal.« Was eindeutig gelogen war.
»Liebst du ihn?«
»Helmut?«
»Gibt es vielleicht noch irgendwelche anderen?«
Sie stieà einen verbitterten Seufzer aus. »Nein. Es gibt keine anderen.« Er brachte sie vollkommen aus dem Konzept. Sie konnte nicht klar denken, wenn er so dicht vor ihr stand. Mit
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