Gefallene Engel
hockte auf einer niedrigen Stange, der lange Schädel hing nach vorn geneigt über der Brust und verbarg die Lichtdrüse. Die Augen waren geschlossen.
Es hob den Schnabel und blickte mich an.
Nein. Das tut es nicht, verdammt!
Ich schüttelte den Kopf, schlich mich näher an die Leiche heran und starrte sie an. Von irgendwo kam der Drang, über den langen Knochengrat auf der Rückseite des Schädels zu streicheln.
»Ich werde mich hier nur eine Weile ausruhen«, versprach ich und unterdrückte einen neuen Kicheranfall. »Ganz leise. Nur ein paar Stunden, mehr brauche ich nicht.«
Auf den unverletzten Arm gestützt ließ ich mich auf den Boden sinken, lehnte mich gegen die schräge Wand hinter uns beiden und hielt die Interface-Waffe wie einen Talisman fest. Mein Körper war ein warmes Knäuel aus schlaffen Stricken im Käfig des Mobilanzugs, eine leicht zitternde Ansammlung von weichem Gewebe, das nicht mehr den Willen aufbrachte, sein Exoskelett zu bewegen. Mein Blick wanderte aufwärts in die düstere Leere im oberen Bereich der Kammer, und eine Weile glaubte ich, dort blasse Flügel schlagen zu sehen, die dem gewölbten Gefängnis zu entfliehen versuchten. Doch irgendwann erkannte ich die Tatsache, dass sie sich in meinem Kopf befanden, denn ich spürte, wie ihre papierdünne Textur die Innenseite meines Schädels streifte. Sie kratzten ganz leicht über das Innere meiner Augäpfel und verfinsterten zunehmend mein Gesichtsfeld, von blass zu dunkel, blass zu dunkel, blass zu dunkel, zu dunkel, zu dunkel…
Und dann ein feines, zunehmendes Klagen wie Trauer.
»Wachen Sie auf, Kovacs.«
Die Stimme war sanft, und etwas berührte drängend meine Hand. Meine Augen schienen fest zugeschweißt zu sein. Ich hob einen Arm, und meine Hand schlug gegen die glatte Oberfläche des Visiers.
»Wachen Sie auf.« Jetzt klang es nicht mehr so sanft. Die Veränderung des Tonfalls setzte einen winzigen Adrenalinstoß frei, der sich meine Nervenbahnen entlangschlängelte. Ich blinzelte und fokussierte den Blick. Der Marsianer war immer noch da – was du nicht sagst, Tak! –, aber meine Sicht auf die Leiche war durch die Gestalt im Polmetall-Anzug verdeckt, die sichere drei oder vier Meter entfernt stand, die Sunjet in misstrauischem Winkel halb erhoben.
Wieder das Stupsen gegen meine Hand. Ich neigte den Helm und blickte hinab. Eine der marsianischen Maschinen strich mit empfindlich aussehenden Rezeptoren über meinen Handschuh. Ich stieß sie weg, worauf sie zwitschernd ein Stück zurückwich. Danach kehrte sie unbeirrt zurück.
Carrera lachte. In meinem Helmempfänger klang es viel zu laut. Es fühlte sich an, als hätten die flatternden Flügel meinen Kopf ausgehöhlt, sodass meine Schädeldecke nun kaum stabiler war als die mumifizierten Überreste, mit denen ich diese Kammer teilte.
»So ist es recht. Das verdammte Ding hat mich zu Ihnen geführt. Es ist nicht zu fassen, was? Es sind wirklich hilfreiche kleine Biester.«
An dieser Stelle lachte ich ebenfalls. Es erschien mir in diesem Moment völlig angemessen. Der Wedge-Commander schloss sich an. Er hielt die Interface-Waffe mit der linken Hand hoch und lachte noch lauter.
»Wollten Sie mich damit töten?«
»Das bezweifle ich.«
Wir hörten gleichzeitig auf zu lachen. Sein Visier klappte auf, und er blickte aus einem leicht ausgezehrt wirkenden Gesicht auf mich herab. Ich vermutete, dass selbst die kurze Zeit, die er damit verbracht hatte, mich in der marsianischen Architektur aufzuspüren, nicht besonders vergnüglich für ihn gewesen war.
Ich spannte einmal die Handfläche an, in der vagen Hoffnung, dass Loemanakos Waffe vielleicht nicht persönlich codiert war, dass jede Wedge-Bioplatte sie zu sich rufen konnte. Carrera bemerkte die Bewegung und schüttelte den Kopf. Dann warf er mir die Waffe in den Schoß.
»Ist sowieso ungeladen. Halten Sie sich daran fest, wenn Sie möchten. Manche Männer sterben lieber auf diese Weise, mit einer Waffe in der Hand. Scheint einem das Ende zu erleichtern. Ein Ersatz für irgendwas, schätze ich. Die Hand der Mutter. Den Schwanz. Wollen Sie im Stehen sterben?«
»Nein«, sagte ich leise.
»Den Helm öffnen?«
»Warum?«
»Ich will Ihnen nur die Möglichkeit dazu geben.«
»Isaac…« Ich räusperte mich, und meine Kehle fühlte sich wie ein Geflecht aus verrostetem Draht an. Worte kratzten hindurch. Es erschien mir plötzlich sehr wichtig, sie auszusprechen. »Isaac, es tut mir Leid.«
In der Tat.
Es flammte
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