Gefangen im Terror (German Edition)
zu übernachten hätten und es nebenan eine Küche und eine Dusche geben würde.
Eine der Frauen, die mit mir auf dem LKW gekommen war fragte ich, ob sie schon einmal hier gewesen sei. Sie sagte mit einer etwas gelangweilten Stimme: „Bis auf die Sache mit der Schule sehe ich das jetzt schon zum dritten Mal und morgen werden wir dann wieder Lektionen aus dem Terrorhandbuch der Al Quaida bekommen.“ Sie machte auf mich nicht den Eindruck, dass sie diese Vorführungen ernsthaft beunruhigt hätten.
Ich war so aufgewühlt von dem, was ich gesehen hatte, dass ich erst einmal an die frische Luft gehen musste. Ich setzte mich an den Brunnen und hielt meine Hand in das kühle Wasser. Aber wir durften dort nicht bleiben. Ein Wächter kam und schickte uns zurück in den kleinen Raum. Der Abend und die Nacht erschienen mir unendlich lang. Viele der Frauen schnarchten, so dass an richtiges Schlafen nicht zu denken war, außerdem war es in dem Raum so heiß und stickig, dass ich kaum Luft bekam.
Am nächsten Morgen gingen wir alle nach draußen, aber schon nach ein paar Minuten schickten sie uns zum Morgengebet wieder hinein. Den Rest des Tages verbrachten wir in diesem engen Raum mit Vorträgen eines Referenten, den ich auf etwa 30 Jahre schätzte. Er war so überzeugt von dem was er sagte, dass er alle Sätze zwei Mal wiederholte. Vielleicht hielt er uns auch für zu dumm, dass wir es bereits beim ersten Mal verstehen würden. Es ging hauptsächlich um Vorgehensweisen der Terrorgruppen beim Einsatz im Ausland und den Vorschriften, die wir als Frauen zu beachten hatten. Immer wieder betonte er die Wichtigkeit der korrekten Kleidung. Alle hörten mit gesenkten Köpfen andächtig zu und nur eine kleine Pause in der Mittagshitze, wo wir etwas trinken konnten, wurde uns zugestanden. Es gab an diesem Tag Mittag nichts zu essen. Mein Magen knurrte so laut, dass ich mich verstohlen umschaute, ob es jemand bemerkt hatte.
Ich war froh, dass wir nicht wieder die schrecklichen Videos wie am Vortag anschauen mussten. Der monotone Singsang des Referenten, der nur darauf abzielte, uns klarzumachen, dass wir gehorchen sollten und im Dienste des Dschihads unsere Aufgaben zu erfüllen hatten, um im Paradies dafür belohnt zu werden, war so einschläfernd, dass ich ständig mit mir kämpfte nicht einzuschlafen. Ich würde mich auf keinen Fall für die „gute Sache“ selbst in die Luft sprengen, egal was man mir dafür versprach. Wenn Chamil auch dieser Meinung war, dass es für uns Frauen kein besseres Ziel gab, als für Allah zu sterben, wäre mein Schicksal besiegelt. Ich glaubte nicht, dass der Einfluss der Dschihadisten ihn dazu bringen würde mich zu opfern. Es war höchste Zeit, dass ich zu Chamil Kontakt aufnehmen konnte, um nicht endgültig in diesem Wahnsinn unterzugehen. Er musste mir helfen, bevor es zu spät war.
Der Referent war auch müde, er versprach sich ständig und gähnte heimlich hinter vorgehaltener Hand. Eigentlich durften wir Frauen ihn nicht direkt anschauen. Die meisten von uns saßen mit gesenktem Kopf da und ließen die Reden über sich er gehen. Ich saß wieder ganz hinten und riskierte es, ihn ab und zu zu beobachten. Er las das Meiste von einem Skript ab, das er vor sich auf dem Pult liegen hatte. Nur selten blickte er in die Runde. Sein Bart war ungepflegt und seine dichten Augenbrauen versperrten ihm fast die Sicht. Er hatte sehr dunkle Haut und trug an der rechten Hand drei goldene Ringe, die mit Steinen besetzt waren. Das war für einen Kämpfer ungewöhnlich. Seine Füße steckten in ausgelatschten Pantoffeln, wie man sie in jedem Basar kaufen konnte. Um die Hüfte trug er einen Patronengürtel, in dem eine große Pistole steckte. Es gab keine unbewaffneten Männer in diesem Camp.
Am späten Nachmittag war es dann zu Ende. Wir durften unsere Plätze verlassen und unser Lastwagen fuhr vor. Niemand hatte uns etwas zu Essen gebracht und wir waren alle schlecht gelaunt. Auf dem Lastwagen gab es deshalb mehrere Wortwechsel zwischen den anderen Frauen. Die Rückfahrt dauerte fast zwei Stunden und als wir endlich im Lager waren, war es bereits Nacht.
Nachdem im Büro der Aufseherin noch Licht brannte, klopfte ich an der Türe. Obwohl ich riskierte, wieder ins Gefängnis gesteckt zu werden, wollte ich sie fragen, ob ich nicht mit Chamil telefonieren konnte. Sie öffnete die Türe und in der Ecke auf einem Sessel saß Mustafa. Im ersten Moment überlegte ich mir, mich zu entschuldigen und irgendeine andere
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