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Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Titel: Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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her.
    »Bei euch sollen meine Kinder aufwachsen? Mit dem Auto durch die Stadt kutschiert werden? Womöglich noch am Sonntag im Park spazieren gehen wie dein verwöhnter Rudi, Gott hab ihn selig?«
    »Ihr könntet uns ja ab und zu besuchen«, räumte Tante Ella großzügig ein.
    »Also ich denke gar nicht daran«, schnaubte meine Mutter schließlich und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Seit zwölf Jahren ziehe ich sie groß. Ich habe ihnen jeden Handgriff eingebläut, damit sie mir helfen. Ich habe mir das Essen vom Munde abgespart und sie zur Schule geschickt, aber ganz sicher nicht, damit du sie mir wegnimmst und in der Stadt mit ihnen angeben kannst!«
    Es gab ein heftiges Wortgefecht zwischen den ungleichen Schwägerinnen, das damit endete, dass Tante Ella schwer beleidigt aufstand und mit ihrem schwarzen Haarnetz über der Dauerwelle empört im Türrahmen stehen blieb. »Dann habt ihr von mir nie wieder was zu erwarten!«
    »Ich bitte dich, du hast doch Beziehungen in der Stadt, du kennst doch so viele Leute, Ella. Kannst du dich nicht umhören, ob jemand von deinen Kunden ein paar gebrauchte Kinderkleider übrig hat?« Die Mutter fasste ihre Schwägerin beschwichtigend am Arm. »Sie haben wirklich nur das, was sie am Leibe tragen! Eine lange Hose oder einen Trainingsanzug, es kann auch von einem Buben sein … «
    Tante Ella riss ihren Kostümärmel aus den Händen meiner Mutter. »Hast du nicht gehört, was ich gerade gesagt habe? Entweder ich nehme die Mädchen jetzt mit, oder sie verrecken in diesem Loch! Dann bleibst du mit diesen Kindern gestraft!«
    Sieglinde und ich standen abwartend im Raum. Wir würden es beide nie wagen, mit der Tante zu gehen, denn die Mutter würde uns zurückprügeln.
    Tante Ella zog etwas aus der Nylontasche, die an ihrem Arm baumelte. Es war ein köstlicher halber Marmorkuchen, schwarz der Schokoladenguss, cremig der Teig. Uns lief das Wasser im Mund zusammen. Sie hatte uns also doch etwas mitgebracht! Vielleicht wollte sie uns Kinder damit locken? So könnte euer Leben jetzt jeden Tag aussehen, wollt ihr es euch nicht doch noch mal überlegen?
    Sie balancierte den Kuchen auf dem Handteller, um ihn dann ganz langsam, heute würde ich sagen, wie im Film, aber wir hatten noch nie einen gesehen, zu Boden fallen zu lassen. War das ein Versehen? Oder tat sie das etwa mit Absicht?
    Der Kuchen landete in einer Schlammpfütze. Gackernd schossen die Hühner herbei und pickten danach, bevor das Schwein sich wonnig grunzend über den Rest hermachte.
    Tante Ella sandte meiner Mutter noch einen letzten verächtlichen Blick, dann drehte sie sich auf dem Absatz um und klapperte auf ihren halbhohen Lackschuhen von dannen.
    Kurz darauf bekam Onkel Josef am Backofen einen tödlichen Schlag. Er war von Holzheizung auf Elektrizität umgestellt worden. Mit seinem Krückstock war er an die gefährlichen Leitungen gekommen. Tante Ella hat daraufhin ziemlich schnell einen anderen Bäckermeister geheiratet, der bereits zwei Töchter mitbrachte. Die haben dann die Bäckereien und die Häuser in Wilhelmsweiler geerbt.
    Als ich zwölf Jahre alt war und aussah wie acht, bemerkte ich an meiner Schwester Sieglinde gewisse Veränderungen. Wir teilten uns ja noch die schmale Pritsche in der Abstellkammer, sie war sechzehn und mit der Schule fertig. Seit einiger Zeit ging sie bei einem Bäcker in die Lehre, natürlich war es nicht die Großbäckerei, mit der uns die Tante vor ein paar Jahren gelockt hatte, sondern eine ärmliche kleine Backstube unten im Dorf. Um drei Uhr früh kroch sie aus unserer körperwarmen Kuhle und machte sich für den Arbeitstag fertig. Eigentlich genoss ich es immer, wenn mir die löchrige Wolldecke noch einmal für drei Stunden ganz allein gehörte. Doch diesmal hörte ich meine Schwester frühmorgens würgen, und als ich besorgt nach ihr sah, erbrach sie sich gerade in den Schweineeimer.
    »Was ist denn los, Sieglinde? Bist du krank?«
    »Ich weiß nicht, ich fühl mich jetzt jeden Morgen so elend … « Sie war grün im Gesicht und spuckte Galle.
    »Soll ich die Mutter wecken?«
    »Untersteh dich, sie wird mich nur schlagen!«
    »Hast du was Falsches gegessen?«
    »Sehr witzig. Habe ich jemals was Richtiges gegessen?«
    »Ich weiß nicht, du siehst in letzter Zeit fast ein bisschen dick aus … «
    Ich sank auf die Ofenbank und musterte die ungewohnte Wölbung am Bauch.
    »Vielleicht hast du zu viel Brot und Kuchen genascht?«
    »Dafür würde ich Schläge vom Meister

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