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Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Titel: Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Wohnungstür. »Leise! Sonst denken die Nachbarn noch, ich wäre eine lustige Witwe…«
    Behagliche Wärme schlug uns entgegen. Eine Stehlampe spendete gemütliches Licht, und es duftete nach frisch gebackenen Plätzchen.
    »So setzt euch doch!« Tante Emmi setzte bereits Teewasser auf und brachte Gebäck. »Warte, Kind, ich mache dir einen schönen heißen Kakao.«
    Wir waren so müde, dass wir es gar nicht recht fassen konnten! Wir hatten uns ja nicht telefonisch anmelden können, hatten einfach abgerissen und zerlumpt auf der Matte gestanden! Und sie nahm uns auf, obwohl sie uns kaum kannte! Wie in Trance löffelte ich den süßen heißen Kakao und knabberte verschüchtert an den Keksen. Von dem, was mein Vater der Tante erzählte, bekam ich kaum etwas mit, nur die Worte »unterernährt«, »ausgebeutet«, »schreckliche Sorgen gemacht« und »ohne Hoffnung für die Zukunft«.
    Mir war alles egal. Ich legte den Kopf auf die Tischplatte und stellte mich tot. Irgendwann nahm Tante Emmi mich an die Hand und brachte mich in ihr weiches Bett. Sie hatte fürsorglich eine Wärmflasche hineingelegt. Auf dem Kopfkissen lag ein Teddybär.
    »Der hat meiner Tochter gehört«, sagte sie fast zärtlich. »Vielleicht darf er heute Nacht bei dir schlafen.«
    Ich wusste nicht, wie mir geschah. Ich hatte Tränen in den Augen.
    »Weißt du, Kleines, jetzt wird alles gut.« Die alte Dame deckte mich liebevoll zu. »Hoch das Bein … « Sie legte mir die Wärmflasche an die Füße und stopfte die Daunendecke um mich fest. Selig schlummerte ich ein.

9
    »Guten Morgen, Gerti!« Tante Emmi zog die Vorhänge zur Seite und ließ die wärmende Morgensonne herein. »Das Frühstück ist fertig!« Diese Zauberformel hatte ich noch nie gehört. Normalerweise musste ich das Frühstück für andere machen!
    Schlaftrunken rieb ich mir die Augen. Das war also doch kein Traum gewesen? Diese freundliche Tante Emmi gab es wirklich? Sie streifte mir ein paar Pantoffeln an die Füße. »Die müssten passen. Und schau mal, was ich noch von meiner Marianne gefunden habe!«
    Sie hielt mir ein rotes langärmeliges Samtkleid mit weißem Kragen und einer grünen Taftschleife hin. »Das müsste dir passen, du kleiner Spatz.«
    Vorsichtig strich ich mit den Fingern über den dicken gefütterten Stoff. »Das sieht warm aus.«
    »Na ja, die Marianne hatte es an, als sie zwölf war, es ist vielleicht ein bisschen aus der Mode … «
    »Nein, ich finde es wunderschön.« Heimlich kniff ich mir in den Arm. Bestimmt war es doch nur ein Traum. Tante Emmi schnupperte und öffnete das Fenster.
    »Aber vorher schlage ich vor, du nimmst ein Bad. Ich habe dir schon Badewasser eingelassen.«
    Wie in Trance ließ ich mich in das duftende Schaumbad gleiten.
    »Kann ich dich allein lassen? Oder wird dir schlecht? Nicht dass du mir hier auf Tauchstation gehst!«
    »Ich glaub, ich schaff das.«
    »Dein Vater frühstückt schon zum zweiten Mal, ich denke, er braucht frischen Kaffee.« Lachend verschwand Tante Emmi in die Küche, und ich planschte gedankenverloren in dem warmen Wasser.
    Ich kam mir vor wie auf einem anderen Planeten. Bei den Schratts in Gönningen hatte ich mich in der Waschküche mit kaltem Wasser reinigen müssen, ihr Badezimmer durfte ich nicht benutzen. Immer war ich mir wie der letzte Dreck vorgekommen. Und diese rosige Tante Emmi behandelte mich wie ein rohes Ei!
    Schon kam sie wieder ins Badezimmer, allerdings nach höflichem Anklopfen, auch so etwas hatte ich noch nie erlebt! Sie nahm ein vorgewärmtes flauschiges Handtuch vom Haken und hüllte mich liebevoll darin ein.
    Kurz darauf saß ich in Tochter Mariannes Samtkleid mit frisch geföhnten Haaren am Frühstückstisch, auf dem knusprige Semmeln, Butter, Marmelade und ein weich gekochtes Ei auf mich warteten. Fassungslos starrte ich auf die Köstlichkeiten.
    »Sind die für mich?«
    »Ich habe auch noch Käse und Wurst für dich eingekauft. Und für deinen Vater mache ich jetzt ein schönes Fresspaket. Er muss leider nach Hause. Die Landwirtschaft in Glatten kann leider nicht länger warten!«
    Nein, natürlich nicht. Wir mussten weg von hier. Ich biss mir auf die Unterlippe.
    Vater saß in Hosenträgern auf dem Küchensofa, auf dem er anscheinend übernachtet hatte, und schaute mich immer wieder reuevoll an. »Ich hätte dich viel früher holen sollen, Kind!«
    Wehmütig ließ ich diese Idylle auf mich wirken, die ich nun schon wieder verlassen musste. Die Küche lag auf der Sonnenseite der Wohnung,

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