Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
bekommt.« Tante Emmi stand mit verschränkten Armen lächelnd in der Tür. »Ich glaube, mein Schatz, jetzt bist du so weit.«
Tante Emmi ging mit mir auf Jobsuche. Sie hatte noch nicht mal ein Inserat in der Zeitung aufgeben müssen; in Windeseile hatte sich in Reutlingen herumgesprochen, dass ihre Nichte eine Stelle im Haushalt suchte. Und nicht wir bewarben uns bei den Leuten, sondern sie sich bei uns. Tante Emmi sparte nicht mit Absagen.
»Nein, das wird meiner Nichte zu viel. Bei Ihnen muss sie ja noch den ganzen Garten mitmachen!« Tante Emmi nahm mich entschlossen bei der Hand. »Sie ist doch noch zart und schwach, ich denke nicht, dass sie das mit dem Rasenmäher schafft. Auf Wiedersehen.«
»Ich fürchte, bei Ihnen muss die Gerti auch noch in der Metzgerei aushelfen. Nein, sagen Sie? Aber wenn mal einer Ihrer Gesellen oder Lehrlinge krank wird? Also bitte nichts für ungut, aber die Gerti ist so gutmütig und hilfsbereit, dass sie bestimmt nicht Nein sagen kann! Tja, und mit dem Hackebeil ein halbes Schwein zerteilen, das ist nichts für meine zarte Nichte. Auf Wiedersehen.«
»Ach, Sie haben drei Kinder? Und erwarten noch ein viertes? Wissen Sie, wir dachten an einen reinen Erwachsenenhaushalt … «
Tja, meine Tante Emmi stellte die Bedingungen, nicht umgekehrt. Sie war wählerisch und anspruchsvoll. Für mich wollte sie nur das Allerbeste.
Und das fanden wir dann auch. Bei Familie Wolf. Ursula Wolf und ihr Mann Walter betrieben ein Geschäft für Lotto, Toto, Schreib- und Tabakwaren, Zeitschriften und Süßigkeiten. Mitten in Reutlingens Altstadt lag dieses kleine Paradies, das große Träume nährte und kleine Wünsche erfüllte. In diesem Moment blätterte mein Lebensbuch eine neue Seite auf, nein, ein neues Kapitel.
Die altmodische Ladenglocke klingelte, der Duft nach Süßkram umfing mich, von den neuesten Klatschzeitschriften lächelten mir Gracia Patricia von Monaco, O. W. Fischer, Heinz Rühmann und die langbeinigen Kessler-Zwillinge entgegen. »Tanzen Sie auch so gern?«, fragte Ruth Leuwerik, und »Die Röcke werden kurz« titelte die Zeitschrift Constanze. Ich konnte mich kaum sattsehen an den Reichen und Schönen auf den bunten Titelseiten.
Ursula Wolf kam erfreut lächelnd hinter ihrem Verkaufstresen hervor. Sie wirkte robust, fröhlich und gutmütig.
»Sagen Sie bloß, Sie haben sich für uns entschieden!«
»Kommt drauf an«, meinte Tante Emmi vielsagend.
»Ja, also, wir sind den ganzen Tag außer Haus und machen keinen Dreck. Unsere zwei Söhne sind schon groß. Mein Mann Walter arbeitet im Geschäft mit, Volker studiert, und Leo macht eine Banklehre.«
Tante Emmi stützte die Arme in die Hüften. »Hört sich gut an.«
»Wir hätten nur gern abends etwas zu essen, und es wäre schön, wenn die Betten gemacht, die Waschbecken geputzt und etwas Staub gesaugt wäre…«
»Das lässt sich einrichten. Meine Nichte ist allerdings noch nicht ganz perfekt im Kochen. Sie übt noch.«
»Oh, das macht doch nichts«, sagte Ursula Wolf lachend. »Ich kann auch nicht kochen! Wir sind schon zufrieden, wenn etwas auf dem Tisch steht! Das kann auch ein Käsebrot mit Gurke sein, oder eine Knackwurst mit Senf!«
»Gerti?«, fragte Tante Emmi mit gespielter Strenge. »Schaffst du das?«
»Klar«, gab ich geistesabwesend zurück. Mein Blick fiel auf ein Titelbild, auf dem eine kesse Blonde Motorrad fuhr.
»Wie sind die Wohnbedingungen für Gerti?«
»Oh, Moment, ich hole schnell den Schlüssel … « Eilfertig zeigte uns Ursula Wolf mein neues Reich. »Wir haben leider in unserem Geschäftshaus keinen Platz, das ist ja so ein schmales Altstadthaus, da passen wir selbst kaum rein. Aber hier, fünf Häuser weiter … « Sie rannte dienstbeflissen durch die kopfsteingepflasterte Altstadtgasse vor uns her und schloss uns die Haustür eines schmalen Fachwerkhauses auf. »Das hier haben wir extra für unsere Hausangestellte gemietet, schauen Sie, ob es Ihnen passt.« Es war eine Mansarde im dritten Stock. Sie öffnete das Fenster und wischte hastig mit dem Finger über die Fensterbank. »Es ist sauber. Ich habe es erst vor Kurzem durchputzen lassen.«
Tante Emmi schritt prüfend durch das Zimmer, das ich ganz wunderbar fand!
Ein großes weiches Bett stand an der Wand, gelbe Tapeten ließen den Raum sonnig wirken, es gab einen braunen Kleiderschrank, in dem fünf Holzbügel hingen – alle für mich?! –, eine Kommode mit einer Waschschüssel darauf, ein Krug mit Wasser, zwei Handtücher, und
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