Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
auf dem kleinen Nachttisch neben dem Bett stand ein Feldblumensträußchen. Sogar eine Leselampe gab es!
Ich sah mich schon hier auf dem Bett liegen und Zeitschriften verschlingen.
»Was sagst du, Gerti?«
»Ich … ähm, also ich finde es sehr schön.« Eine prickelnde Vorfreude erfüllte mich. Ich war fast erwachsen! Ich würde ein selbstständiges Leben führen!
»Und Ihre Söhne?« Tante Emmi schien sich gegen alle Eventualitäten wappnen zu wollen. »Die haben nicht zufällig einen Hang zum Küchenpersonal?«
»Aber nein!«, sagte Frau Wolf lachend und stemmte die Hände in die runden Hüften.
»Der Volker hat längst eine feste Freundin, und der Leo ist vollkommen auf seine Banklehre fixiert. Das ist ein ganz ehrgeiziger Junge, der wird es noch weit bringen. Der hat gar keine Zeit für Flausen im Kopf!«
»Also dann, von mir aus.« Tante Emmi sah mich aufmunternd an.
»Ja, von mir aus auch!« Ich konnte ein Jubeln kaum unterdrücken.
Tante Emmi handelte bereits einen guten Lohn für mich aus. Das war unfassbar! Geld sollte ich auch noch kriegen, mein erstes selbst verdientes Geld!
Hier würde ich nicht ausgenutzt und gedemütigt werden! Wenn Tante Emmi etwas für gut befand, konnte ich mich darauf verlassen. Sie besaß Menschenkenntnis.
Kurz vor meinem achtzehnten Geburtstag fing ich im Haushalt der Wolfs an.
Mit viel Elan und Liebe kochte und backte ich und machte den Haushalt zu aller Zufriedenheit. In der ersten Woche machte ich alle Gerichte, die ich bei Tante Emmi gelernt hatte, und servierte sie mit schüchternem Stolz. Ich wusste, dass sie mir gelungen waren! Die vier Wolfs aßen mit großem Appetit und ließen nicht einen Krümel übrig. Außer der netten Mutter beachteten sie mich nicht weiter, was mir ganz recht war.
Mittags kamen sie alle nur schnell auf einen Happen herauf in ihre Altbauwohnung, um dann wieder zu ihrer Arbeit aufzubrechen. Unten im Laden hing ein Schild an der Tür: »Mittagspause von zwölf bis zwölf Uhr dreißig.« Danach konnte ich die Uhr stellen. Leo, der Jüngere, war beim Essen oft in seine Bilanzen vertieft oder bereitete eine Prüfung in Rechnungswesen vor. Volker, der Ältere, telefonierte mit seiner Freundin. Ich war ein nettes kleines Neutrum, das offenbar alles richtig machte.
Vormittags lüftete ich die Betten, putzte, saugte Staub und wischte durch die Bäder.
Beim älteren Sohn fand ich auch ab und zu mal so ein feuchtes Tütchen im Bett, aber das entsorgte ich diskret und machte mir weiter keine Gedanken. Auch wenn ich sicher war, dass Frau Wolf mich nicht ohrfeigen würde – ich kam nicht mehr auf die Idee, es aufzublasen. Besonders viel Freude machte mir das vormittägliche Einkaufen. Ausgestattet mit einem großzügigen Haushaltsgeld, schlenderte ich über den belebten Wochenmarkt, kaufte frisches Gemüse und knuspriges warmes Brot, schleppte Kartoffeln, Tomaten und Kohlköpfe heim und stattete jenem Metzger einen Besuch ab, bei dem ich hätte schuften sollen. Und siehe da: Man ließ mich nicht warten wie damals in Gönningen, wo ich ein unsichtbarer Niemand gewesen war! Man bediente mich freundlich und zuvorkommend, denn schließlich war ich Tante Emmis Nichte und arbeitete für die stadtbekannten Wolfs! Und ich hatte keine zwei quengelnden Kleinkinder am Bein, ich war frei und glücklich! Zu Hause angekommen, wälzte ich mit Feuereifer Tante Emmis Kochbuch und erweiterte mein Repertoire nach und nach um neue Gerichte aus der schwäbischen Hausmannskost. Um punkt halb eins tigerte ich nervös in der Küche auf und ab und sah alle paar Sekunden auf die Uhr. Wenn mir einmal etwas nicht gelang, lachte Frau Wolf herzlich, machte das Fenster auf und warf den Inhalt der Schüssel kurzerhand in den Hof. Dort unten machten sich ein paar Hühner und ein Schwein, das der Nachbar hielt, erfreut über ihre Zusatzration her, und die Sache hatte sich.
Unfassbar! Diese Lässigkeit, mit der mir meine Anfängerfehler verziehen wurden! Immer noch zog ich automatisch den Kopf ein, weil ich instinktiv Ohrfeigen erwartete. Aber Frau Wolf war gutmütig, geduldig und offensichtlich tolerant.
»Kindchen, das wäre mir auch nicht besser gelungen! So was Kompliziertes! Saure Kutteln mit schwäbischen Linsen auf Briegelschmiere! Da haben Sie sich aber auch was vorgenommen!« Sie strich mir über den Kopf. »Macht nichts, ich schicke Volker zum Pizzaholen!« Der Vater zückte einen Zehnmarkschein, der Sohn eilte los, und ich staunte. Was hätte ich früher für Schläge
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