Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
Bernd und Thomas sprangen auf und umarmten ihren Vater.
Lachend stand ich dabei und freute mich mit. Natürlich wollte Leo die jahrelange Abwesenheit wiedergutmachen, und auf diese Weise konnte er sich schnell ihre Sympathien einhandeln. Mit einem jungen Tier kann man jedes Kinderherz erobern. Er wollte seinen Jungs einfach eine Freude machen, ihnen den Einstieg erleichtern. Bevor Heimweh, Langeweile oder Sehnsucht nach den alten Freunden in Reutlingen aufkommen konnte, hatte er ihnen lieber gleich tierische Spielkameraden geschenkt.
Aber schon bald wurden neue Freundschaften geschlossen. Bald nach unserer Ankunft stand Familie Meyer am Gartentor und hieß uns herzlich willkommen. Schließlich war es Henry Meyer gewesen, der mich am dringlichsten gebeten hatte hierherzuziehen. Seine zwei Töchter Claudia und Julia waren etwa im selben Alter wie Thomas und Bernd, und Sohn Alexander war niedliche vier.
Ona holte Drinks, die Boys öffneten das Tor, Leo schlug Henry Meyer erfreut auf die Schulter und zog ihn zu einem Geschäftsgespräch ins Wohnzimmer, während ich mit Susi Meyer plaudernd am Gartentisch saß.
Die Kinder tobten und planschten im Pool, spielten mit den jungen Hunden und balgten mit den Katzen, so als würden wir schon ewig hier leben.
»Kaum zu glauben, dass wir heute erst angekommen sind.« Entspannt lehnte ich mich unter dem schattigen Vordach zurück. »In Reutlingen stehen zwar keine Palmen und Kakteen im Garten, aber ansonsten fühle ich mich schon richtig heimisch hier. Irgendwie habe ich mir das neue Leben fremder vorgestellt.«
»Ach, du kennst doch die deutsche Clique!«, sagte Susi. »Auf unseren Grundstücken können wir uns tatsächlich fühlen wie zu Hause.« Sie stellte ihren eisgekühlten Drink wieder auf den Gartentisch. »Nur außerhalb müssen wir uns ein bisschen in Acht nehmen.«
»Wie meinst du das?«
»Na ja, erstens ist hier natürlich Linksverkehr … « Susi lächelte mich beruhigend an. »Aber daran hast du dich schnell gewöhnt.«
»Und zweitens … ? Ich meine, inwiefern ist es hier für eine Frau auf der Straße gefährlich?«
»Für Frauen eher nicht … « Susi drehte an ihrem Ehering. »Aber für Weiße. Du solltest nicht allein auf die Straße gehen.«
»Und … die Kinder?«
»Die natürlich auch nicht.«
»Aber Leo hat mir immer wieder versichert, dass sich Schwarze und Weiße in Ruhe lassen und auch ganz unterschiedliche Wege haben … « Ich dachte an die getrennten Eingänge bei Behörden und Krankenhäusern zurück. Ich hatte Busse gesehen, in denen saßen nur Weiße, und in anderen nur Schwarze. Fast schien es, als würden sich die beiden Rassen gar nicht wahrnehmen, ja als lebten sie auf völlig verschiedenen Planeten. »Leo sagt, die Schwarzen leben in ihren eigenen Wohnvierteln und wollen es auch gar nicht anders.«
»Wenn Leo das sagt, wird es wohl stimmen.« Susi wirkte auf einmal ein wenig nervös. »Wir haben uns alle längst an das Leben hier gewöhnt.«
»Und?«, fragte ich vorsichtig. Genau wie Susi sah ich mich unwillkürlich nach unseren Männern um, die rauchend im Wohnzimmer saßen und beide Gläser mit Hochprozentigem in Händen hielten. Ona staubte währenddessen Bücherregale ab. Sie schien nichts von dem zu verstehen, was die Männer da erhitzt besprachen und ließ sich nicht davon aus der Ruhe bringen.
»Wir haben hier auf jeden Fall Privilegien, die wir in Deutschland so nicht haben«, erklärte Susi, nachdem sie sich eine Zigarette angesteckt hatte. »Wir sind hier sozusagen Menschen erster Klasse.«
»Das habe ich auch schon mitbekommen … und deswegen ein ganz schlechtes Gewissen!« Auch ich griff nach einem Glimmstängel.
»Das brauchst du nicht.« Susi wedelte sich den Rauch aus dem Gesicht. »Die Neger hier kennen es gar nicht anders! Schon seit der Kolonialzeit werden sie von Weißen beherrscht. Sie sind froh, von uns Weißen lernen zu können!« Das sagte sie im Brustton der Überzeugung, und ich kannte niemanden, der anderer Meinung gewesen wäre. Auch die Bezeichnung »Neger« wurde damals selbstverständlich gebraucht.
»Die Wasserleitungen zum Beispiel«, fuhr Susi fort. »Oder Strom.« Lachend wies sie mit dem Kopf auf Ona, die inzwischen mit dem Staubsauger herumfuhrwerkte. »Die hat ja hier früher für Marion gearbeitet, und das war eine Prozedur, bis Marion der Ona erklärt hat, dass sie die Teppiche nicht mit dem Besen reinigen soll!«
»Welche Marion?«, fragte ich dazwischen, doch Susi war gerade so im
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