Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)
wie ein Vogel. Sie beschloss, zum Kiosk an der Hauptstraße zu gehen und sich eine Zeitschrift zu kaufen. Vielleicht würde sie ja auch etwas ganz Ausgeflipptes machen und sich einen Becher Kaffee mit ganz viel Schlagsahne holen.
»Oh nein«, stöhnte sie. DI Reece stand auf der anderen Straßenseite. Er hatte die Hände tief in den Hosentaschen vergraben und sah herüber. Sie sah ihm auf den ersten Blick an, dass er schlechte Nachrichten hatte. »Lust auf einen kleinen Spaziergang?«
»Ziemlich kalt für einen Spaziergang.«
»Komm schon, das wird uns beiden guttun.«
Schweigend gingen sie den Hügel in Richtung See hinunter, ohne auf die neugierigen Blicke der anderen Schüler zu achten. Es war eiskalt.
Als sie die Straße überquerten, summte Aprils Handy.
Ich glaube, wir müssen reden. Miss Holden
Glaube ich nicht , dachte April und schaltete das Handy aus.
»Wie geht es dir?«
»Ganz okay. Ich komme schon klar.«
Reece schüttelte den Kopf.
»Du solltest nicht ›klarkommen‹ müssen, April. Es ist nicht normal für eine Siebzehnjährige, so etwas durchmachen zu müssen.«
»Darf ich Sie etwas fragen, Mr Reece?«
»Aber sicher.«
»Sie haben irgendwann gesagt, Sie hätten selbst schon jemanden begraben müssen. Wen?«
»Meine Frau«, antwortete er leise.
»Wurde sie …?«
»Sie wollen mir den Fall entziehen«, unterbrach Reece und starrte auf den See hinaus.
»Was? Nein, das können die nicht machen. Es war doch Ihr Fall, vom ersten Tag an!«
»Doch, sie können, und sie werden es auch. Es gibt viele einflussreiche Leute, denen gar nicht gefällt, was sich hier im Augenblick abspielt. Und ich kann ihnen noch nicht einmal einen Vorwurf daraus machen. Ich würde auch kein Vermögen für ein Haus in dieser Gegend hinblättern und dann praktisch jeden Tag eine neue Leiche auf meiner Türschwelle finden.«
»Aber es ist doch nicht Ihre Schuld, Mr Reece. Sie haben Ihr Bestes getan.«
»Das ist in diesem Fall aber leider nicht genug. Die Sache ist mir über den Kopf gewachsen. Vermutlich werden sie mir eine Versetzung nahelegen.«
»Und werden Sie annehmen?«
Reece zuckte nur mit den Schultern.
»Ich denke darüber nach. Ich wollte es dir nur selbst sagen. Ab sofort übernimmt einer meiner Vorgesetzten, DCI Johnston.«
»Und wie ist er so?«
Reece verzog das Gesicht. »Ich würde gern sagen, dass er der richtige Mann für diese Aufgabe ist, aber das kann ich leider nicht.«
»Was heißt das?«
Er holte tief Luft. »Heutzutage gibt es zwei verschiedene Typen von Polizisten: Solche, die trotz aller administrativer Hürden, des Papierkrams und der Zielvorgaben der Regierung jeden Tag ihr Bestes geben, Menschen helfen und ihre Fälle lösen, und solche, die diesen Job nur als Managementposten sehen, bei dem jeder gelöste Fall sie ein Stück weiter die Karriereleiter hinaufbringt oder ihnen Pluspunkte beim Boss verschafft. Okay, auch sie jagen Verbrecher, aber sie könnten genauso gut Brötchen verkaufen. Die Arbeit selbst ist ihnen im Grunde egal. Und diese Typen tun alles, um einen Fall als abgeschlossen betrachten und zu den Akten legen zu können. Alles.«
»Und dieser Chief Inspector gehört zu dieser Sorte?«
»Genau. Man hat ihm den Befehl gegeben, enger mit Dr. Tame zusammenzuarbeiten.«
»Oh nein!«
»Genau«, sagte Reece. »Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich ihn nicht leiden kann. Aber er hat nun mal Beziehungen bis in die obersten Etagen. Du musst dich vorsehen.«
»Was meinen Sie damit?«
»Sie brauchen dringend einen Tatverdächtigen. Im Moment haben sie zwar deinen Freund, aber sie werden ihm nicht alles in die Schuhe schieben können.«
Sie starrte ihn mit aufgerissenen Augen an.
»Sie glauben, die könnten versuchen, mir die Schuld dafür zu geben? Aber ich habe doch überhaupt nichts getan!«
»Das interessiert sie nicht, April. Du bist in den Fall verwickelt, und wenn sie unbedingt jemanden drankriegen wollen, dann werden sie das auch tun, egal ob derjenige schuldig ist oder nicht.«
»Aber was soll ich denn jetzt machen?«
»Bleib bei deiner Geschichte, April, und versuch, kühlen Kopf zu bewahren. Lass dich von ihnen nicht aus der Fassung bringen. Und warte ab.«
»Abwarten? Was denn?«
»Das weißt du genauso gut wie ich. Es werden weitere Morde geschehen, bevor das hier vorbei ist.«
April nickte seufzend. »Danke, Mr Reece, dass Sie es mir selber gesagt haben. Sie hätten das nicht zu tun brauchen, das weiß ich.«
Reece griff in seine Tasche und
Weitere Kostenlose Bücher