Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)
zog ein Notizbuch heraus. Er kritzelte etwas auf eine Seite, riss sie heraus und reichte sie ihr.
»Hier«, sagte er. »Das ist meine Privatnummer. Wenn du irgendetwas brauchst oder einfach nur reden willst, ruf mich an, okay?«
»Sie machen sich Sorgen um mich, stimmt’s, Mr Reece?«
»Wer würde das nicht tun, April. Ich weiß zwar nicht genau, inwiefern du in das alles verstrickt bist, aber eines kann ich mit Gewissheit sagen – der Tod haftet dir an den Fersen.«
»Wen haben wir denn da? Etwa April Dunne?«
»Hi, Davina.«
Davina blickte auf ihre Uhr. »Solltest du nicht in der Schule sein?«
»Was ist mit dir?«
»Ich habe Sonderurlaub. Mr Sheldon und ich haben eine Vereinbarung.«
»Eine Vereinbarung?«
»Sagen wir einfach, er verlässt sich darauf, dass er dank meines Vaters seinen Job behalten darf. Ich glaube nicht, dass er mir einen Rüffel erteilt, nur weil ich mal ein bisschen Freizeit brauche. Du dagegen …«
»Mir ist es egal, was der Falke oder sonst jemand denkt. Ich habe Ravenwood bis obenhin satt.«
»Das ist genau die richtige Einstellung!« Davinas Augen funkelten verschmitzt.
»Was soll es bringen, noch Hausaufgaben zu machen, wo wir morgen alle längst tot sein könnten?«
»Oh, ich weiß«, sagte Davina und berührte ihren Arm. »Wie geht es dir? Wer hätte gedacht, dass Marcus noch einmal auftaucht und auf dich losgeht. Hattest du große Angst?«
»Nein, seltsamerweise nicht. Na ja, irgendwie schon, aber eigentlich war ich eher sauer.«
»Du bist so unglaublich tapfer. Und Gabe eilt zu deiner Rettung herbei! Wie im Märchen.«
»Er ist nicht zu meiner Rettung herbeigeeilt«, widersprach April gereizt. »Ich habe mich schon selber gegen Marcus gewehrt. Dafür brauche ich keinen Gabriel Swift.«
»Ich konnte es nicht fassen, als ich gehört habe, dass er« – sie sah sich um – »Marcus getötet hat. Ich meine, Gabriel kann ziemlich aufbrausend sein, aber ihn gleich umzubringen? Das ist schon ziemlich durchgeknallt, was?«
April schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich weiß nicht, was in Gabriels Kopf vorgeht und wieso er was tut.«
Davina zog eine Schnute. »Ja, ja, ich habe gehört, dass ihr euch gestritten habt. Ich konnte ja noch nie verstehen, was du an ihm findest. Okay, er ist ziemlich sexy, aber wenn du mich fragst, bist du ohne ihn besser dran.«
»Du sprichst mir aus der Seele.«
Wieder sah Davina sich um.
»Hier können wir nicht ungestört reden. Wieso kommst du nicht mit zu mir? Daddy ist unterwegs und Ben den ganzen Nachmittag beim Rugby-Training. Das heißt, wir haben das Haus für uns allein.«
Trotz aller Aufmüpfigkeit machte April die Vorstellung nervös, ein Lehrer oder, was noch viel schlimmer wäre, ihre Mutter könnte sie auf der Straße erwischen.
»Okay«, sagte sie. »Gehen wir.«
April erkannte Davinas Zimmer kaum wieder. Bei ihrem letzten Besuch hatten überall turmhohe Kleiderstapel herumgelegen, wohingegen es heute wie aus einer Zeitschrift für Inneneinrichtung aussah – der cremefarbene Teppichboden war makellos sauber, die Tagesdecke perfekt gebügelt, und auf dem Beistelltisch lagen Hochglanzmagazine, mit sorgsamer Lässigkeit arrangiert. Alles stand an seinem Platz, und es herrschte peinliche Sauberkeit; kein Staubkörnchen oder der Rand einer Kaffeetasse war auf einem der Möbelstücke zu sehen.
»Dein Zimmer ist wirklich der Wahnsinn«, schwärmte April. »Meines ist mit Klamotten, Büchern und sonstigem Krempel so vollgestopft, dass du nicht mal mehr den Boden erkennen kannst. Wie lebt man in so einem Zimmer? Ich würde mich noch nicht mal trauen, etwas zur Seite zu rücken.«
»Ach, eigentlich ist es ganz nett, bloß ein bisschen eng, findest du nicht?«, meinte Davina. »Ich habe eine halbe Ewigkeit auf meine Mutter eingeredet, dass ich das Schlafzimmer meiner Eltern kriege. Sie benutzen es sowieso so gut wie nie, aber das Einzige, was ich rausschlagen konnte, war ein zusätzliches Ankleidezimmer.«
»Du hast ein eigenes Ankleidezimmer?«, japste April beim Gedanken an ihren vollgestopften Ikea-Schrank, aus dessen wackligen Schubladen ihre Socken und Unterhosen quollen. »Das ist mir beim letzten Mal gar nicht aufgefallen.«
»Das liegt daran, dass es versteckt ist.«
Davina trat vor den raumhohen Spiegel und schob ihn beiseite. Sekunden später standen sie vor einem Raum, der beinahe so groß war wie das Wohnzimmer bei April zu Hause. An beiden Seiten befanden sich meterweise Kleiderstangen mit glitzernden
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