Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)
du mich so erschrecken!«
Silvia löste sich aus den Schatten. Ihre Augen waren vom Weinen verquollen, ihr Gesicht leichenblass.
»Was ist passiert?«, fragte April besorgt.
»Was glaubst du wohl, zum Teufel?«, blaffte ihre Mutter. »Du hast heute Morgen das Haus verlassen, um zur Schule zu gehen, und bist seitdem wie vom Erdboden verschluckt. Wo hast du gesteckt, verdammt noch mal?«
»Ich … ich war mit Davina in der Stadt.«
»Von deiner Schwänzerei wollen wir erst gar nicht reden, aber wieso bist du den ganzen Tag nicht ans Telefon gegangen?«
»Weil es nicht geklingelt hat.« Sie zog ihr Handy aus der Tasche und stellte fest, dass es immer noch auf lautlos gestellt war. Zwölf Nachrichten und doppelt so viele SMS waren eingegangen, allesamt von Caro und ihrer Mutter. Augenblicklich regte sich ihr schlechtes Gewissen. Natürlich hatten sie sich Sorgen gemacht und Angst gehabt, April könnte schon wieder etwas zugestoßen sein.
»Tut mir leid«, sagte sie und blickte zu Boden. »Ich brauchte nur ein bisschen Zeit für mich.«
»Nach allem, was passiert ist? Wie konntest du so gedankenlos sein? Wir sind vor Angst beinahe verrückt geworden.«
»Wen meinst du mit ›wir‹?«
Mit einem verlegenen Hüsteln trat Mr Sheldon aus dem Wohnzimmer.
»Was hat der denn schon wieder hier zu suchen?«
»Rede nicht so über Mr Sheldon«, fuhr Silvia sie an. »In diesem Haus wirst du respektvoll mit ihm umgehen. Mr Sheldon war besorgt, weil du einfach verschwunden bist, und ist hergekommen, damit ich nicht ganz alleine bin.«
April sah den Schulleiter an. Er hatte seine Krawatte gelöst, und sein Hemd hing ihm aus der Hose.
»Oh ja, ich gehe jede Wette ein, dass er außer sich vor Sorge war«, ätzte sie. Der Alkohol hatte ihre Zunge gelöst, und sie war stocksauer, weil ihre Mutter ihr um jeden Preis ihren tollen Tag versauen und sie anschreien musste – noch dazu, nachdem sie allem Anschein nach gerade mit dem Rektor herumgemacht hatte.
»April!«, schrie Silvia. »Wie kannst du es wagen?«
»Wie ich es wagen kann? Daddy ist noch nicht mal kalt, und du holst dir schon einen Typen ins Haus, der dich ein bisschen tröstet? Was glaubst du wohl, wie ich mich fühle, wenn ich so was sehe!«
»Dein Ton gefällt mir nicht, junge Dame«, sagte Silvia drohend, doch Mr Sheldon trat vor und legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm.
»Ist schon okay, Silvia. April hat recht. Ich sollte jetzt lieber gehen. Ich wollte nur sicher sein, dass es ihr gut geht.«
April schnaubte abfällig und starrte die beiden finster an. Sie schwankte leicht und musste sich am Treppengeländer festhalten.
»Du rührst dich nicht von der Stelle, junge Dame«, erklärte Silvia eisig. »Wir beide sind noch nicht fertig miteinander.«
April ließ sich auf die Treppe sinken, während Silvia den Falken zur Tür brachte, und zog ihr Handy heraus. Die beiden hatten ihr den Rücken zugekehrt. Wieder und wieder schoss April Fotos von ihnen und nahm sich vor, sie sich später genauer anzusehen.
»Was ist verdammt noch mal nur in dich gefahren, April!«, fragte Silvia, als sie zurückkam. Inzwischen klang sie eher erschöpft als wütend. »Du warst immer so ein nettes, pflichtbewusstes Mädchen, und sieh dich jetzt an. Betrunken, respektlos – und was hast du da überhaupt an?«
April verzog das Gesicht. Sie hatte keine Lust mehr, sich zu streiten, sondern nur noch einen Wunsch – so schnell wie möglich ins Bett. »Die Sachen gehören Davina.«
»Ich will nicht, dass du dich noch länger mit diesem Mädchen triffst. Offenbar hat sie einen schlechten Einfluss auf dich.«
»Ich dachte, du findest es gut, wenn ich mit den Osbournes zusammen bin«, gab April trotzig zurück, »weil es dir hilft, die gesellschaftliche Leiter ein Stück hinaufzusteigen.«
In dieser Sekunde schoss Silvia nach vorn, sodass ihr Gesicht nur wenige Millimeter vor Aprils Nase schwebte, und starrte sie mit zu Schlitzen verengten Augen an. April wich erschrocken zurück und stieß sich prompt den Kopf am Treppengeländer. Sie hatte zwar schon häufig Silvias legendäre Wutausbrüche erlebt, doch hatten sie sich niemals gegen sie gerichtet.
»Sprich nicht so mit mir«, flüsterte sie. Ihre Augen schienen April förmlich zu durchbohren. Kalt und böse. Oh Gott , dachte April, lieber habe ich Marcus vor mir als das hier.
»Schluss mit Davina Osbourne und Schluss mit Nachtclubs. Du hast Hausarrest, bis du dreißig wirst. Haben wir uns verstanden?«
April nickte
Weitere Kostenlose Bücher