Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)
ich bin nur total frustriert. Wie um alles in der Welt soll ich mehr über diese Vampire herausfinden, wenn ich in diesem verdammten Haus festsitze?«
»Aber du bist doch nicht komplett von der Welt abgeschnitten, oder?«
»Was meinst du damit? Ich kann mich unmöglich heimlich rausschleichen. Meine Mutter dreht durch, wenn sie davon erfährt.«
»Das schon, aber du kannst doch Nachforschungen anstellen, ohne das Haus dafür zu verlassen.«
»Wie denn?«
Fiona schnalzte ungeduldig mit der Zunge.
»Manchmal treibst du mich echt in den Wahnsinn, April. Dein Dad war doch Journalist, oder nicht?«
»Ja. Und?«
»Und Journalisten machen sich Notizen. Sie haben riesige Papierstapel auf ihren Schreibtischen liegen oder hämmern stundenlang auf ihre Computer ein.«
»Ja. Und weiter?«
»In diesen Notizen müssen sich irgendwelche Hinweise finden.«
April seufzte.
»Nein, nach seinem Tod hat die Polizei all seine Sachen unter die Lupe genommen.«
»Und seit wann beeindruckt die Polizei von Highgate durch ihre Professionalität und Effizienz in der Ermittlungsarbeit? Garantiert hat irgendein kleiner Aushilfsbulle halbherzig in seinen Sachen herumgeblättert und alles übersehen, wo nicht in Großbuchstaben MÖRDER draufstand. Wo sind seine Notizen jetzt?«
»Im Keller, bei seinen anderen Sachen. Aber ich werde auf keinen Fall noch mal da runtergehen. Das macht mir Angst.«
»Sagt die Frau, die sich mitten in der Nacht auf Friedhöfen und in dunklen Wäldern herumtreibt.«
April lachte.
»Stimmt.«
»Also, worauf wartest du noch? Los, mach dich an die Arbeit. Und halt mich nicht länger auf. Ich muss Hausaufgaben machen.«
»Sklaventreiberin.«
April legte auf und hievte sich aus dem Bett. Es waren nicht die Spinnen oder der muffige Geruch im Keller, die sie abschreckten, sondern die Vorstellung, in den Sachen ihres Vaters herumzustöbern. Aus irgendeinem Grund hatte sie das Gefühl, in seine Privatsphäre einzudringen und sich Dinge anzusehen, die sie nicht sehen sollte. Aber wie soll ich sonst Genaueres herausfinden ?, dachte sie.
Trotzdem hatte sie ein mulmiges Gefühl, als sie die Kellertreppe hinunterging. Bisher war es ihr gelungen, die Tatsache, dass er tot war, gewissermaßen in den hintersten Winkel ihres Bewusstseins zu drängen. Sie konnte sich überwinden, ihn auf dem Friedhof zu besuchen – wenn sie nicht gerade Hausarrest hatte – und mit ihm zu plaudern, und in diesen Momenten fühlte es sich auch nicht an, als wäre er tot. Doch in seinen Kartons zu stöbern bedeutete, dass er endgültig fort war. Es war, als müsste sie die Sachen aussortieren und entscheiden, was sie behalten wollte und was nicht. Und sie hatte Zweifel, ob sie dazu bereit war.
Andererseits hatte Fiona völlig recht: In seinen Sachen könnten sich durchaus nützliche Hinweise finden. Sie ging die Treppe hinunter und blieb in dem kleinen Vorraum stehen – irgendetwas sagte ihr, dass sie etwas finden würde, was sie lieber nicht finden wollte.
Das meiste waren Zeitungen. Alte Ausschnitte seiner Artikel, die er höchstwahrscheinlich aufbewahrt hatte, um sie irgendwann zu einem Sammelband zusammenzutragen, und zahllose Berichte aus Zeitungen und Magazinen sowie vergilbte Seiten mit Ideen für Bücher, die niemals geschrieben werden würden. Ihr Anblick erfüllte April mit tiefer Traurigkeit. Er hatte noch so viele Pläne gehabt, und keinen davon würde er in die Tat umsetzen können. So viele Bücher, die er gekauft hatte – für seine Recherchen oder aus purem Vergnügen. Und nun lagen sie zwischen Pressemeldungen, Abonnementangeboten und allerlei Krimskrams wie einer Postkarte aus Ibiza (»Lass es krachen, Alter. Gruß Iggy« – wer um alles in der Welt war Iggy? Höchstwahrscheinlich würde sie es nie erfahren.). Doch allmählich begann es ihr Spaß zu machen, die Sachen zu sortieren – Bücher auf die eine Seite, Bankauszüge auf die andere und Persönliches auf einen dritten Stapel. Denn unter all den Notizen über mögliche Projekte, die niemals realisiert, und Broschüren für Reisen, die niemals unternommen werden würden, fanden sich Hunderte Beweise dafür, dass William Dunne gelebt hatte. Nicht nur in Gestalt der Worte, die er geschrieben hatte, und den briefmarkengroßen Fotos neben seinen Artikeln, sondern auch in bezahlten und unbezahlten Rechnungen, in Restaurantbelegen, einer Rechnung für die Inspektion ihres Wagens kurz vor ihrer Abreise aus Schottland. Jedes einzelne Blatt Papier war ein
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