Gefangene der Dämmerung: Ravenwood 2 - Roman (German Edition)
Lehrerin hat ausgesagt, sie wäre gestern in ein Gespräch zwischen euch hereingeplatzt.« Er schlug sein Notizbuch auf. »›Tief in ein Gespräch versunken‹, genau so hat sie es ausgedrückt.«
»Na gut, wenn Sie es unbedingt wissen müssen«, erwiderte April. »Wir haben darüber gesprochen, wie es ist, wenn man einen geliebten Menschen verliert.« Reece musterte sie skeptisch.
»Das klingt aber nicht nach einem Mädchen, das du nicht besonders gut kennst.«
»Na ja, ein paar Dinge haben wir schon gemeinsam, aber eng befreundet sind wir nicht.«
»Und Laylas Freund Milo war eine dieser Gemeinsamkeiten?«, hakte Reece nach.
»Was wollen sie damit andeuten?«, fauchte April. »Ich hatte nie was mit Milo zu tun.«
»Ich versuche mich lediglich in Layla hineinzuversetzen, April.«
April schüttelte den Kopf.
»Wir haben nur darüber gesprochen, dass überall um uns herum Menschen sterben. Und das, obwohl die Polizei sagt, es würde alles zu unserer Sicherheit getan.«
Reece fiel nicht auf ihren Köder herein. »Es tut uns sehr leid, was du miterleben musstest. Wenn du möchtest, kann ich gern ein Gespräch mit einer Kriminalpsychologin für dich arrangieren.«
»Ach? Und was sollte ich der erzählen?«, gab April zornig zurück. »›Oh, mein Dad ist in meinen Armen verblutet, nachdem ihm ein Wahnsinniger die Kehle herausgerissen hatte‹? Hat sie ein paar ähnliche Geschichten für mich auf Lager, was meinen Sie?«
Silvia räusperte sich.
»Ich glaube, April will damit sagen, dass sie darüber lieber mit mir sprechen würde.«
»Nein, Mum!«, erwiderte April. »Ich werde nicht mit dir darüber reden! Du warst ja nicht mal hier, schon vergessen?«
Silvia starrte sie entsetzt an. »Aber das ist doch nicht meine Schuld, Schatz.«
»Wann bist du denn überhaupt jemals hier? Du hast doch immer irgendwas Besseres zu tun, als dir meine Probleme anzuhören!« Sie hielt inne und richtete den Blick wieder auf den Inspector. »Bitte entschuldigen Sie, Mr Reece. Sie wollten über Layla sprechen, richtig?«
Reece nickte und erhob sich.
»Du hast ja meine Nummer, falls dir noch irgendetwas einfällt. Wir machen uns große Sorgen um Layla.«
April begleitete Reece zur Tür. In der Diele blieb sie stehen.
»Glauben Sie, dass Laylas Verschwinden etwas mit dem Mord an meinem Dad und all den anderen merkwürdigen Dingen zu tun haben könnte?«, fragte sie leise.
Reece sah sie lange an. »Wärst du jemand anders, April«, sagte er, »würde ich dir jetzt das Übliche erzählen: Mach dir keine Sorgen, das Mädchen wird schon wieder auftauchen. Aber irgendetwas stimmt hier nicht. Wir waren bei ihr zu Hause. Es sieht nicht so aus, als hätte sie irgendetwas mitgenommen. Taschen, Kleidung, nichts fehlt. Sie hat ihr Verschwinden jedenfalls nicht geplant, so viel steht definitiv fest. Außerdem hat sie sich bei niemandem gemeldet. Und das beunruhigt mich am meisten. Eine Siebzehnjährige, die es vierundzwanzig Stunden lang aushält, ohne einer Freundin wenigstens eine SMS zu schicken? Undenkbar in unserer heutigen Zeit.«
April öffnete die Haustür.
»Ich gebe es zwar nur ungern zu, April, aber ich fürchte, deine Mutter hat recht.« Er nickte in Richtung des Streifenwagens am Straßenrand. »Mit wem wir es auch immer hier zu tun haben mögen – mit einem einzelnen Streifenwagen werden wir ihn wohl kaum abschrecken.«
April nickte nachdenklich. »Ich halte die Augen auf.«
Er lächelte. »Tu das.«
»Oh, Mr Reece? Und wieso haben Sie mir nicht das ›Übliche‹ erzählt?«
Reece’ Lächeln verflog.
»Zum Teil, weil du deinen Vater verloren hast, und wegen dieser Sache mit Marcus Brent, aber auch, weil …«
»Weil was?«
»Weil ich glaube, dass du mehr weißt, als du zugeben willst.«
»Ehrlich, Mr Reece, ich …«
Reece hob eine Hand.
»Schon gut, April. Du hast bestimmt deine Gründe. Aber nach zwanzig Jahren als Polizist habe ich eines gelernt: Geheimnisse sind wie Geschwüre. Je länger man sie ignoriert, verschweigt und so tut, als würden sie einem keine Schmerzen bereiten, desto länger können sie eitern. Und irgendwann machen sie einen krank. Man kann Geheimnisse nicht für immer für sich behalten, April.«
Neuntes Kapitel
S t. Michael war größer als in ihrer Erinnerung. Die Kirche überblickte den Friedhof wie eine übellaunige Tante. Kirchen hatten etwas an sich, das sie an Miss Batty denken ließ, die Direktorin ihrer alten Schule in Edinburgh; eine alte Jungfer mit verkniffenem Gesicht,
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