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Gefangene der Dunkelheit

Gefangene der Dunkelheit

Titel: Gefangene der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Blue
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bekämpft hatte, regte sich wieder in ihrer Brust, und sie wollte etwas Hassenswertes und Selbstsüchtiges tun, um ihn zu verdrängen, etwas, das bewies, dass es sie nicht kümmerte. Aber Clare war unschuldig. Sie verdiente das Schicksal nicht, das ihr zugewiesen wurde, und Siobhan war alles, was sie noch hatte. »Ja«, antwortete sie und zwang sich zu einem Lächeln. »Ich bin deinem Papa verschworen.« Sie hielt dem Kind eine Hand hin. »Komm. Gehen wir hinein und legen uns schlafen.«
    Clare zögerte einen Moment und kaute auf ihrer Unterlippe. Dann legte sie eine Hand in Siobhans Hand. Siobhan, die von weiteren Schuldgefühlen erschüttert wurde, brachte sie ins Gutshaus zurück.

6
    Tristan entdeckte während der nächsten paar Nächte, in denen er nach Norden zog, dass ein Dämon zu sein verdammt lästig sein konnte. Seine neue Aversion gegen Sonnenlicht ließ ihm nur die kurzen Mittsommernächte zum Reisen, und er musste sich zunächst nähren. Es war nicht so schwer, Beute zu finden, wie er es sich vielleicht vorgestellt hatte. Jede Ansiedlung, zu der er kam, hatte ihren Schurken, der zum Wohle der Rechtschaffenen zur Hölle geschickt werden musste, und die Wälder waren voller Schurken und Diebe. Aber wenn er aus einem bestimmten Grund kein passendes Opfer finden konnte, merkte er, dass er seinen Hunger auch für eine Nacht aufschieben konnte. Nur wenn es länger dauerte, sah er sich derselben schrecklichen Bedrängnis ausgesetzt, die ihn zu seiner ersten Tötung getrieben hatte, ein verzweifeltes Verlangen, das jeden anderen Gedanken auslöschte.
    Er befand sich genau in diesem Zustand, als er entdeckte, dass er seine Gestalt verändern konnte. Er war, ohne sich zu nähren, die ganze Nacht geritten, um eine Ansammlung von Städten und Dörfern hinter sich zu lassen, in denen sein Gesicht vielleicht bekannt wäre, und hatte schließlich einen dichten Wald erreicht. Er pflockte sein Pferd auf einer kleinen Lichtung in der Nähe einer Höhle an, in der er den Tag schlafend verbringen konnte – eine weitere Notwendigkeit seiner neuen Welt, die er als höchst ärgerlich empfand. »Warte hier«, murmelte er Daimon sinnlos zu. Das war ein weiteres Problem, dachte er. Er war noch nie für seinen Charme bekannt gewesen, aber er war doch immer recht beständige Gesellschaft gewohnt gewesen. Nun war er während der vergangenen Woche häufiger allein gewesen als jemals zuvor in seinem Leben. Wenn es noch länger andauern würde, wäre er vielleicht nicht mehr nur verflucht, sondern würde auch verrückt werden.
    Er verdrängte diesen Gedanken und ging zur Jagd in den Wald, bewegte sich auf der Suche nach einem einsamen Reisenden, der nicht vermisst würde, lautlos entlang schmaler Pfade. Er suchte stundenlang, sein Dämonengehör forschte angestrengt nach dem Trommeln eines menschlichen Herzschlags, aber er hörte nichts, und sein Körper spürte allmählich das Herannahen der Dämmerung. Wenn er sich in dieser Nacht nicht nährte, fürchtete er, beim nächsten Sonnenaufgang wirklich als Wahnsinniger aufzuwachen, so weit von der Vernunft entfernt, dass er jedes Wesen niedermetzeln könnte, das in seine Nähe gelangte, sogar sein eigenes Pferd. Wie würde er dann jemals nach Hause kommen?
    Irgendein Geschöpf, dachte er, und seine Gedanken schweiften ab, während er loslief. Konnte das Blut irgendeines Tieres ihm Kraft geben? Wie als Antwort auf seine Gedanken erklang ein deutlicher Herzschlag, tief und kräftig wie ferner Donner. Er folgte dem Klang, lief schneller, und seine Sicht verschwamm und veränderte sich. Der Hirsch sprang aus einem Dickicht hervor, wandte den großen Kopf und blickte einen Moment zurück, bevor er floh. Das Tier war für Tristans Augen nur ein verschwommener Lichtfleck, ein flammender Umriss mit einem brennenden, scharlachroten Herzen. Er folgte ihm, während sein Verstand ihm zuwisperte, diese Jagd sei Torheit – kein Mensch konnte einen Hirsch zu Fuß erwischen. Aber er war kein Mensch. Seine Perspektive änderte sich in einem einzigen, fließenden Moment. Er lief dicht am Boden, schneller, als sich ein Mensch dies jemals hätte erträumen können, und jegliche Wahrnehmung von Gewicht und Beschränkung durch die Kleidung und die Waffen, die er trug, war fort.
    Er holte den Hirsch ein, riss ihn zu Boden und packte die dicht mit Muskeln versehene Kehle des Tieres. Er hielt es mit wuchtigen Pranken unter sich fest und trank in tiefen Zügen das Blut, das weniger gehaltvoll, aber süßer war

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