Gefangene der Magie
edlem Seidenteppich zu wandeln.
Kingsley blieb beharrlich. Ich sage ja nur, dass wir zusehen sollten, so schnell wie möglich zu verschwinden. Der Kerl hält sich zu gut für Eisenketten und Wachleute? Umso besser! Nichts wie weg hier.
»Wozu die Eile?« Kira strich im Vorbeigehen über eine wunderschön gearbeitete chinesische Vase.
Im nächsten Moment stolperte sie über eine Unebenheit im Teppich, die zuvor nicht da gewesen war. Erschrocken sprang Kira zur Seite und beobachtete finsteren Blickes, wie sich der Boden wieder ebnete. Sie konnte schwören, dass der Teppich dabei höhnisch kicherte. Anscheinend sah es Ryan nicht gerne, wenn jemand seine Schätze befingerte.
Wozu die Eile? Kingsley schnaubte verärgert. Schon vergessen, dass da draußen ein Dämon mit meiner Leiche rumläuft? Und sein einziger Aufpasser ist dein psychopathisch veranlagtes Haustier. Das ist ein gefundenes Fressen für die Presse. Wenn sie darüber schreiben, ist meine Karriere ruiniert!
»Du bist tot, Kingsley. Du musst dir um deinen schäbigen Ruf keine Sorgen mehr machen«, sagte sie halblaut. »Zu deiner Beruhigung: Ich habe ohnehin nicht vor, lange zu bleiben. Und es ist ja auch nicht so, als würde Ryan versuchen, uns gefangen zu halten.«
Ryan? Du nennst ihn beim Vornamen – und mich nicht?
»Eifersüchtig?«, zischte sie.
Auf dem Weg durch Ryans Anwesen begegnete sie allerhand paranormalen Gestalten. Kira traf auf einen Werwolf* im Teenageralter, einen Kobold*, einen Schwarm Pixies* und eine Bergelfe. Keiner von ihnen schien gewillt, ihr auch nur den Hauch einer Information über ihren Aufenthaltsort zu verraten.
Man merkte, dass die Sidhe hier noch nie an Eisen gebunden und von älterem Geblüt waren. Sie hielten noch an alten Sitten fest und waren in einer Konversation in etwa so entgegenkommend wie ein Gartenzaun. Irgendwann gab Kira auf und fragte die nächste Bergelfe bloß noch nach dem Weg zum Salon. Kira sah es als Glück, dafür nicht ihr Erstgeborenes versprechen zu müssen.
Die Beschreibung der Elfe führte sie eine breite Treppe aus rötlich glänzendem Mahagoniholz hinunter, wie man sie nur noch aus alten Filmen kannte.
Unten angekommen, verharrte Kira vor der Haustür. Sie roch Abgase und Magie, der unverkennbare Geruch eines Magic Centrals. Einen Moment lang erwog sie tatsächlich, ausnahmsweise einmal auf Kingsleys Rat zu hören. Es wäre so einfach, die Hand nach der Klinke auszustrecken und zu verschwinden. Abgesehen von dem kleinen Brownie*, der in der hinteren Ecke die Fenster putzte, war sie allein im Foyer. Und der könnte sie bestimmt nicht aufhalten. Womöglich war das ihre letzte Chance. Vielleicht kam Ryan ja doch noch auf die Idee, sie den Magiern zu übergeben und das Kopfgeld zu kassieren?
Ein leises Klimpern zog ihren Blick nach oben. Ein Windspiel drehte sich über dem Eingang. Durchscheinende Glasscherben reflektierten das hereinfallende Sonnenlicht. Es sah hübsch und harmlos aus und doch stellten sich bei seinem Anblick all ihre Nackenhaare auf.
Von einer plötzlichen Kälte erfasst, strich sie sich über die bloßen Arme. Sie konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass die Scherben sie ansahen.
»Hübsch, nicht?«, ertönte es hinter ihr. »Eine BanaBhuidseach* hat es für mich angefertigt.«
Kira wirbelte herum. Es war ihr ein Rätsel, wie sich jemand von Ryans Größe so lautlos hatte anschleichen können. Nach dem Funkeln seiner Augen zu schließen, amüsierte es ihn ungemein, sie erschreckt zu haben.
»Es ist verzaubert, fängt böse Geister ab.«
»Ich werde jetzt gehen«, sagte Kira und spannte automatisch die Muskeln an.
Entgegen ihrer Erwartung krümmte Ryan keinen Finger, um sie aufzuhalten. Er stand einfach nur selbstzufrieden grinsend da und zuckte lässig mit den Schultern.
»Das ist wirklich schade. Ich hatte gehofft, Sie würden mir noch beim Frühstück Gesellschaft leisten.« Seine blassgrünen Augen bohrten sich in ihre. »Ich würde mir wirklich wünschen, Sie würden noch bleiben.«
Die Runen auf seiner Haut begannen rot zu glühen und auf einmal fiel Kira kein Grund mehr ein, nicht zu bleiben.
Die Haustür kam ihr plötzlich gefährlich vor, ein Portal nach draußen, in eine Welt, in der sie nur Feindschaft erwartete. Was sprach dagegen, ein Weilchen hierzubleiben? Sich auszuruhen? In den letzten Tagen waren sie von einem Ort zum nächsten gehetzt, ohne Rast, immer auf der Flucht.
Kingsley schrie etwas in ihrem Kopf, aber seine Stimme klang merkwürdig
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