Gefangene der Sehnsucht
Hand in einem Kettenhandschuh sie hoch und mit dem Rücken an einen Körper in einer Rüstung, eine Klinge an ihrer Kehle.
»Schrei und du stirbst!«, zischte der Besitzer des Körpers, der Rüstung und der Klinge.
Ein weiterer Bandit tauchte auf und griff nach ihren Beinen, um Eva hochzuheben. Sie verharrte einen Herzschlag lang, dann wandte sie abrupt den Kopf zur Seite und stieß sich im selben Moment vom Boden ab. Sie fiel wie ein Stein aus dem Griff des Mannes.
Bevor auch nur einer ihrer Angreifer fluchen konnte, holte sie mit Jamies Dolch aus und stieß ihn mit einem Rückwärtsschwung in den Oberschenkel des Mannes, der hinter ihr stand. Er heulte vor Schmerz auf und taumelte zurück, aber der andere hatte Eva bereits an ihrem Hängezopf gepackt und zerrte sie auf die Füße. Der Schmerz brannte wie Feuer durch ihre Schädeldecke. Er schüttelte sie heftig und setzte sein Messer an ihre Kehle.
»Drachen«, schnarrte er. »Ich werde dir deinen Hals brechen …«
Plötzlich gab es einen heftigen Ruck, dann wurde Eva unvermittelt losgelassen. Ihr Angreifer flog rückwärts, wie ein Halm Weizen im Wind. Eva fuhr herum und sah Jamie, der auf den Mann hinunterschaute, den er gerade von ihr weggerissen hatte und der sich jetzt am Boden wand. Der andere Bandit hatte sich wieder auf die Füße begeben, der Dolch in seinem Oberschenkel, und er kam wie ein außer Kontrolle geratener Karren auf sie zugerast. Sie ging in die Hocke und bereitete sich auf den Aufprall vor, dann sprang sie hoch und stieß ihre Schulter in seine gepanzerte Brust. Es war, wie gegen einen Felsen zu rennen. Evas Zähne klapperten, als der Mann sie niederschlug. Er schlang seine Arme um ihren Brustkorb und begann, sie in den Wald zu zerren, obwohl sie um sich schlug und um sich trat.
»Lass sie los!«, befahl eine tiefe Stimme.
Alles wurde still, dann hörte der Druck um ihren Körper auf. Der Angreifer stieß sie brutal zur Seite weg. Eva fiel auf die Knie, ihre Nase berührte fast den Griff des Dolches in seinem Oberschenkel. Sie riss die Klinge heraus und fuhr herum, sich ihrem Angreifer und dem zu stellen, was immer ihn angegriffen hatte.
Jamie hielt den Mann fest, den Dolch an dessen Hals. Ihr aufgewühlter Blick begegnete Jamies ruhigem.
»Holt Euren Jungen zurück.«
Sie fuhr wieder herum, geduckt, um sich blickend. Waren da noch andere? Hatten sie Gog bekommen? War er …
Dort war er, er hing mit einer Hand am Ast eines Baumes und sah aus wie irgendein Waldding auf einer von Father Peters merkwürdigen und wunderschönen Federzeichnungen. Ein dritter Angreifer kletterte Gog nach, tastete sich Stück um Stück auf dem Ast voran. Gog lockerte seinen Griff und ließ sich zu Boden fallen, wo ein vierter Mann bereits wartete.
Eva rannte zu ihm. Ry kam von der Seite gerannt, über Zweige und Blätterteppiche sausend, Eva immer um einige Schritte voraus. Dann tauchte Jamie wie aus dem Nichts auf. Ohne Aufhebens, aber mit schweigendem, tödlichen Können bewegten sich Ry und Jamie durch die Schar der Männer, als wären sie Butterklumpen, bis sie verstreut auf dem Waldboden lagen, eins mit Erde und moderndem Laub.
Eva starrte erschrocken auf dieses Bild, dann schaute sie zu Gog. Er erwiderte ihren Blick und … grinste. Er atmete schwer, seine Hand blutete, und eine Schnittwunde zog sich quer über sein Gesicht, aber in seinen Augen blitzte Erregung. Eva räusperte sich einige Male.
»Roger.« Es war ein Krächzen. Ein schrecklich krächzendes Ding, ihre Stimme. Sie räusperte sich erneut. »Gog, bist du …«
Sie verstummte, als sie bestürzt feststellen musste, dass ein Räuspern nichts nutzte. Etwas Dickes saß in der Kehle, und sie konnte nicht sprechen.
Sie schaute Gog an, den Mund geöffnet, aber es kamen keine Worte heraus. Gog starrte sie an. Sie hörte, dass Jamie Ruggart Ry etwas zumurmelte, der ihr etwas hinhielt. Sie schaute verwirrt darauf. Es war ein Trinkschlauch.
»Wasser«, murmelte Jamie. »Von flussaufwärts.«
Sie trank. Das kalte Wasser strömte ihre heiße, trockene Kehle hinunter, lief ihr über das Kinn, und sie trank weiter. Endlich ließ sie den Trinkschlauch sinken und gab ihn mit einem Kopfnicken zurück.
»Meinen Dank.« Sie drehte sich Gog zu, der sie noch immer erschrocken anstarrte. »Geht es dir wirklich gut?«, fragte sie so ruhig, als hätte es diesen Moment der Sprachlosigkeit nicht gegeben.
Die Sorge in seinem Gesicht wurde von Erregung fortgewaschen. »Hervorragend, Eva. Hervorragend!«
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