Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)
kleine Irrylath, der lachend auf meinem Rücken saß, mir absichtlich die Absätze in die Flanken rammte und mich an der Mähne zog?«
Syllva nickte. »Aber er wurde von derjenigen erlöst, die auch dich und die Gargoyles befreite. Er ist wieder ein Mensch und einer der Unseren.«
Mit diesen Worten wandte sie sich zu ihrem Sohn, und das geflügelte Schlachtross ließ seine silbernen Augen über den Prinzen gleiten, der unter diesem kühlen und abschätzigen Blick zusammenfuhr. Sein Atem schien zu stocken. Das Sternenpferd wieherte dunkel, leise.
»Du könntest der sein«, sagte er schließlich, »der einst mein Irrylath war. Bist du auch der, der mich aus Avaric vertrieb?«
Aeriel spürte, wie ihr Gemahl erschauderte. Er nickte langsam.
»Wie kam es zu den Narben auf deiner Wange?«, fragte der Avarclon. »Früher warst du hübsch anzusehen.«
Irrylaths Atem ging nun stoßweise. Unwillkürlich wollte Aeriel seine Hand nehmen – doch dann besann sie sich und hielt sich zurück. Ein Grollen erklang vom Löwen der Wüste hinter ihr. Die Augen des Prinzen huschten für einen Moment in seine Richtung und glitten ausdruckslos über Aeriel hinweg, bevor er sich wieder dem geflügelten Streitross zuwandte.
»Pendarlon«, flüsterte er.
Der lon von Avaric drehte den Kopf und bedachte den jungen Mann mit einem argwöhnischen Seitenblick. »Deinetwegen fand ich einen harschen Tod im Exil«, sagte er. »Ich habe dich einst geliebt.«
Irrylath sank zu Boden, und Ariel fürchtete zuerst, er sei ohnmächtig geworden oder gestürzt – doch dann erkannte sie, dass er vor dem Streitross niederkniete.
»Avarclon«, sagte er. »So viel hat sich zugetragen, seit ich jung war und auf deinem Rücken ritt und dich an den Haaren zog, dass ich kaum weiß, ob ich dich oder einen anderen jemals
wieder zu lieben vermag. Doch ich erinnere mich, dich geliebt zu haben – bevor die Weiße Hexe mich in ihren Fängen hatte und zu dem machte, was ich war. Von allen Gräueltaten, die ich in meiner damaligen Gestalt verübte, war dein Mord die schlimmste, das schwöre ich. Zu jenem Zeitpunkt kannte ich weder dich noch mich selbst. Aber ich trete dir heute entgegen und kenne dich.
Längst diene ich der Hexe nicht mehr. Der Hochzeitstrank, den ich aus deinem Hufe zu mir nahm, hat den Zauber gebannt. Ich habe gelobt, sie zu Fall zu bringen, niederzustrecken und all ihre dunklen Engel zu zerstören. Doch ich benötige ein Schlachtross. Jeder deiner mitstreitenden lons hat einen meiner Brüder als seinen Reiter akzeptiert. Nun ist kein Reittier für mich übrig. Willst du mir behilflich sein? Ich flehe dich an. Lass mich dich wieder reiten, wie ich es einst tat. Sei mein Verbündeter für einen Tagmonat, ein Jahr – und am Ende dieses Krieges werde ich dir gehören und mein Schicksal in deine Hände legen.«
Aeriel erbleichte und starrte den Prinzen ungläubig an. Ihre Ohren dröhnten. Auf das Ende dieses Krieges hatte sie solch große Hoffnungen gesetzt: dass Irrylath einwilligte, endlich ihr zu gehören und ihr wahrer Gemahl zu werden, ihre große Liebe. Ein bitterer Geschmack erfüllte ihren Mund. Sie taumelte. Irrylath, Irrylath, wollte sie rufen. Doch Irrylath hatte sie vergessen. Aufgewühlt schwieg, beäugte den knienden Prinzen von Avaric. Er hatte sich tief verbeugt. Das Sternenpferd trat vor, um mit der Nase die Stirn des jungen Mannes zu berühren.
»Eine Waffenruhe«, flüsterte der lon sehr leise. »Wie du wünschst. Bis die Hexe zu Fall gebracht ist. Dann gehörst du mir!
Wir vergeuden nun keinen weiteren Gedanken mehr daran. Komm, und lass dir den Wind um die Nase wehen, Königssohn von Avaric. Ich will sehen, ob du das Reiten nicht verlernt hast.«
Irrylath hob den Kopf. Aeriel hörte, wie er tief einatmete, und sah unbändige Freude in seinem Gesicht aufblitzen. Er sprang auf und packte die Mähne des Sternenpferdes. Das silberne Schlachtross tänzelte rückwärts, und seine mächtigen Schwingen berührten den Prinzen, als wollten sie ihn scherzhaft necken. Dann wandte er sich um, und in einer einzigen geschmeidigen Bewegung hatte sich Irrylath auf den Rücken des Pferdes geschwungen. Mit einem mächtigen Satz preschte das Tier vor und erhob sich in die Lüfte, kreiste segelnd über dem Markplatz, während die Menschenmenge Rufe der Bewunderung ausstieß und die Hälse reckte, um einen besseren Blick auf das Geschehen zu erhaschen.
Wenige hatten die Abmachung vernommen, die zwischen dem Sternenpferd und dem Prinzen
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