Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)
über sie gesenkt, Zelte und Pavillons drängten im Geisterlicht des blauen Oceanus aneinander. Ihre Freundin hatte diesen ruhigen Ort gewählt, fernab der Geschäftigkeit des Lagers. Aeriel war froh, dem lauten Treiben zu entfliehen.
»Mich wundert«, sagte sie und berührte die Perle durch den Stoff ihres Gewandes, »dass wir während all der Zeit, die wir nun schon in Westernesse verweilen, keine Spur von den Häschern der Hexe bemerkt haben.«
Sie zog die Perle hervor und umschloss das matt glimmende, azurblaue Kleinod mit den Händen. Das Tempelfeuer in Orm hatte das Geschenk des Glühwürmchens entzündet, auch wenn sein schwaches Glühen nur im dämmrigen Schatten auszumachen war, so wie jetzt, fernab von anderen Lichtquellen. Aeriel schüttelte den Kopf.
»Kein einziger Späher oder Hund, nicht einmal ein Schwarzer Vogel. Warum lässt uns die Hexe nicht auskundschaften?«
Das dunkelhäutige Mädchen lachte, lehnte sich auf einen Ellbogen und stocherte im trockenen Sand. »Sie braucht wahrlich keine Spione oder Häscher, um die Lagerstatt einer solch gewaltigen Armee in Erfahrung zu bringen.«
Aeriel schob die Perle unter den Stoff. Ihr Mund wurde zu einer dünnen Linie. »Sorgt sie sich denn nicht ob unserer Größe und unserer Schlagkraft?«
Erin fand eine alte Perle im Sand und hielt sie hoch. Sie war tiefrot, mit einem Loch in der Mitte, aus Muschelsand gefertigt. Das dunkelhäutige Mädchen zuckte mit den Schultern. »Sie kennt unser Ziel. Womöglich kümmert es sie nicht.«
»Aber es sollte sie kümmern«, murmelte Aeriel. »Diese scheinbare Sorglosigkeit ist beunruhigend.«
Erin schleuderte die blutrote Perle fort, setzte sich auf und musterte Aeriel. »Vielleicht ist das ihre Absicht. Diese ganze Geschichte steht und fällt irgendwie mit dir …«
»Mit mir?«, spottete Aeriel. »Ich bin doch nur durch Zufall hier.«
Das dunkelhäutige Mädchen schüttelte das Haupt. »Mehr als Zufall, meine wahre und einzige Freundin. Dich umgibt eine eigentümliche Macht.«
»Und welche Art von Macht soll das sein?«, beharrte Aeriel. »Irrylath führt die Truppen von Isternes an, Sabr die Streitkräfte des Westens …«
»Von denen ohne dich niemand hier wäre«, fiel ihr Erin sanft ins Wort. »Die Geschichten, die du erzählst, und die Fackeln, die du auf deiner Suche nach den gefangenen Gargoyles entzündet hast, haben die Hälfte der Menschen in aller Herren Länder wachgerüttelt. Du hast ihnen die Augen geöffnet und die Notwendigkeit aufgezeigt, die Hexe zu vernichten, damit wir überleben. «
Aeriels Hand glitt über den feinkörnigen, verkrusteten Sand. Im hellen Sternenlicht fühlte er sich kühl und weich wie Wasser an. Wenn es doch nur Wasser wäre , dachte sie grimmig. Geböte man der Trockenheit bringenden Lorelei nicht bald Einhalt,
erläge die ganze Welt Hungersnöten und Dürren. Aeriel schüttelte den Kopf.
»Ich kenne nicht einmal den Rest des Reimes«, murmelte sie, »den Reim, den Ravenna vor ewigen Zeiten dichtete, um uns in Rätseln preiszugeben, wie wir gegen die Hexe obsiegen können. Ich kenne nur zwei Drittel der Verse.«
Erin lehnte sich wieder gegen die Düne und begann mit leiser Stimme zu singen:
»Durch Avarics flache Länder,
darüber der dunkle Engel fliegt
Hinan auf Terrains Gipfelränder,
vom Königsturm, der abseits liegt,
Und zweimal sieben Mägdelein,
als Bräute holt er sie herbei:
Ein langer Weg aus trautem Heim;
Vom Himmel tönt ein ferner Schrei:
Dann wird der Zauberhuf des Sternenpferds
ihn unvermutet heiligsprechen,
Und eine Diamantenklinge
seine kalte Brust durchstechen.
Allein dann erheben sich des Krieges
Held und Schimmel,
Die Kampfgenossen alle,
und beben wird der Himmel.«
Aeriel ließ ihre Gedanken wandern, erinnerte sich, wie sie die verzauberten lons fand und im Feuer von Orm erlöste, bevor die verbliebenen Engel der Nacht sie wieder einfangen konnten.
»Doch zuerst müssen sie sich vereinen,
die Feinde der Engel der Nacht,
Eine Braut, die im Tempel durch Feuer schreitet,
hat teil an der Schlacht,
Weit jenseits des Sandmeers
kommen Streitrösser für die Zweitgeborenen,
Und neu geschmiedete Waffen,
ein geflügelter Stab …«
Der Reim erzählte von den befreiten lons , die einwilligten, als Streitrösser für Prinz Irrylaths Isterner Brüder zu dienen, den magischen silbernen Pfeilspitzen, die Talb, der Magier, für Königin Syllva schmiedete, und dem uralten weißen Botenvogel, der zu Aeriel gestoßen und mit ihrem
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