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Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)

Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3)

Titel: Gefangene des Engels - Pierce, M: Gefangene des Engels - The Darkangel Trilogy: The Darkangel (1), A Gathering of Gargoyles (2), The Pearl of the Soul of the World (3) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. A. Pierce
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dieselben Worte.«
    Trotz der stechenden Augen der anderen, die auf ihr ruhten, spürte Aeriel, wie ihr eigener Blick sehr sanft von dem feinen weichen Ruß, gleich der Asche von Toten, angezogen wurde. In der Perle regte sich wieder etwas. Aeriel beugte sich herab, um
die Asche zu berühren. Sie war kühl und klebrig, wie feuchter Brei. Ravennas Perle glühte. Ein sonderbares leises Murmeln kitzelte Aeriels Bewusstsein. Sie versuchte, ihm zu lauschen, doch Oriencors gehauchte Worte übertönten es.
    »All die anderen behaupteten, welch ein feines Herz es sei, wie wunderschön konserviert. Sie glaubten, mir damit zu gefallen. Irrylath erklärte, es sei nichts weiter als ein zerfressener Klumpen Holz. Deshalb war er mein Liebling. Von all den Jungen, die ich je in Engel der Nacht verwandelte, war Irrylath der Einzige, der sich nie einer Lüge bediente.«
    Die Hexe trommelte mit ihren dolchartigen Nägeln auf das Kristall des Fensterbretts, säbelte und kratzte kleine Eissplitter ab. Ihre Finger klangen wie Käfer, die knackend über die Wände huschten. Koste davon , bat die Perle, damit ich in das Herz meiner Tochter sehen kann. Beinahe ohne nachzudenken, strich Aeriel ein wenig von dem Hexenstaub auf ihre Lippe, und ein scharfer Schmerz durchfuhr sie, wie ein Nadelstich. Es war das Bitterste, das sie je gekostet hatte. Es schmeckte nach Verzweiflung. Die Perle verdunkelte sich, ihre Stimme verklang. Aeriel hatte das Erlebnis augenblicklich vergessen, wie ein Schlafender, dem beim Erwachen jegliche Erinnerung an seine Träume fehlt. Oriencor seufzte.
    »Mein Herz ist vor langer Zeit zu Staub zerfallen. Ich ahnte es nicht, als ich es herausschnitt. Das Kristall sollte es konservieren. Nun, damals war meine Zauberkraft noch nicht ausgereift. Doch das ist bedeutungslos. Ein Herz wäre eine zu große Last, um es mit mir durch die Tiefen des Himmels zu tragen.«
    Aeriel runzelte die Stirn, sie konnte der anderen nicht folgen.
Durch die Tiefen des Himmels? Aber Oriencor lachte nur und drehte sich wieder zum Fenster.
    »Ah«, sagte sie leise. »Die Vorstellung hat begonnen.«
    Aeriel sog die Luft ein. Hastig stellte sie die Hexenschatulle zurück in die Wandnische und gesellte sich zu Oriencor ans Fenster.
    »Die Armee deiner Königin wagt einen Vorstoß«, murmelte die Lorelei.
    Aeriel sah, wie der große Halbmond anrückte, Verbündete jeglicher Farbschattierung: blaue Berner, hellgrüne Zambulaner, Pirser mit kupfergoldener Haut, fahle Terrainier und gold schimmernde Flüchtlinge aus Avaric, die blassgesichtigen Rani und das petrolfarbene Volk der Elver, die dunklen Inselbewohner, Isterner mit pflaumenfarbener Haut und die zimtfarbenen Wanderer der Wüstenländer. Auf einmal erkannte sie, was es mit der gelben Fahne auf sich hatte. Über ihnen allen wehte ihr Hochzeitssari, er schimmerte im Licht des Sonnensterns.
    Neben ihr am Fenster hob Oriencor den Blick. Geflügelte Wesen – ein halbes Dutzend – schwebten vor der Feste. Lächelnd befahl die Hexe: »Los!«

12
Der siebte Sohn
    E rschrocken sah Aeriel jene, zu denen die Hexe gesprochen hatte. Hoch über dem Palast flogen sechs Engel der Nacht: von menschlicher Gestalt, doch mit totenbleichem Teint. Ihre Augen funkelten farblos, ihre Haut war eingefallen. Es waren blutleere, herzlose, seelenlose Geschöpfe. Das Dutzend schwarzer Schwingen auf dem Rücken eines jeden Ikarus, das ungestüm schlug, beschwor einen leisen Sturm herauf.
    Auf Oriencors Signal hin, abgerichtet wie Falken, wandten sie sich um und stürzten durch die Lüfte der ankommenden Armee entgegen.
    In weiter Ferne erspähte Aeriel ihren Gemahl, der die Diamantenklinge aus der Scheide zog. Hinter ihm schoss Syllvas Arm in die Höhe und sank dann herab. Das gelbe Banner entschwand, und mit einem lauten Schrei preschten die Isterner und Westerner Truppen vor, um der Heerschar der Hexe am Ufer zu trotzen. Die geflügelten lons erhoben sich in den Himmel, unter ihnen der ungezäumte Avarclon. Mit Irrylath auf seinem Rücken machte das Sternenpferd einen mächtigen Satz, und seine silbernen Flügel leuchteten auf, als die Engel der Nacht
herabglitten. Dann prallten die beiden Armeen aufeinander, und alles versank in heillosem Durcheinander.
    Aeriel wusste nicht, wie lange sie dem Gemetzel zusah. Der Sonnenstern schien am Himmel stillzustehen. Die Perle ließ kurze, flüchtige Blicke auf das Kriegsgeschehen aufblitzen, weitaus eindringlicher und detaillierter, als Aeriel allein es mit den eigenen Augen

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