Gefangene des Feuers
sein Volk als Freunde bezeichnete. Und es wäre unehrenhaft von ihm, wenn er zuließe, dass sie getötet wurden. Deshalb gab er Jacali das mit Perlen verzierte Amulett und seine Worte, und sie trug es zu der Frau mit den hellen Haaren, die ihr Gesicht wie eine Sonne umrahmten. Das alte Bleichgesicht kannte die Sprache seines Volkes ein wenig, und er schenkte Jacalis Worte der Frau mit den Zauberhänden. Und die Frau lächelte. Der weiße Krieger neben ihr beobachtete alles mit seinen scharfen Augen und wachte über seine Frau, so wie es sein sollte.
Und dann verließen sie sein Lager.
Annie drehte das mit Perlen verzierte Amulett in ihren Händen immer wieder hin und her und fuhr mit dem Finger das verschlungene Muster nach. Es war ein wunderschönes Stück. Atwater hatte erklärt, dass es so etwas wie ein Schutzbrief für sie sei, der ihnen sicheres Geleit gewährte. Das war zwar nicht ganz genau der Sinn, aber Annie war mit dieser Erklärung vollauf zufrieden.
Sie würden Wochen brauchen, um nach New Orleans zu kommen, denn sie mussten New Mexiko, Texas und Louisiana durchqueren. Atwater hatte vorgeschlagen, den Zug zu nehmen. Rafe hatte diesen Gedanken jedoch entschieden von sich gewiesen, was die Laune des Marshals nicht eben hob.
Als sie dann außer Sichtweite des Lagers der Apachen waren, hob Atwater plötzlich seine Schrotflinte und zielte auf Rafe. Da er ihm seine Waffen nicht zurückgegeben hatte, konnte Rafe den Marshal nur mit kalter Wut in den Augen anstarren. „Glauben Sie bloß nicht, ich will unbedingt nach New Orleans“, sagte er.
„Wir gehen trotzdem“, entgegnete Atwater. „Aber ich traue Ihnen einfach nicht. Ich lasse mich nicht gerne zum Narren machen, aber es hat auch schon Leute gegeben, die meine Warnung nicht ernst genommen haben. Also will ich Sie sozusagen nur von der Versuchung fernhalten. Legen Sie die Hände hinter den Rücken!“
Rafe gehorchte mit versteinerter Miene. Annie ritt auf ihrem Wallach zu ihm, doch Atwater warf ihr einen warnenden Blick zu. „Halten Sie sich von ihm fern, Ma’am!“
„Aber Sie müssen ihn doch nicht fesseln!“, protestierte sie. „Für uns ist es doch noch viel wichtiger, diese Geschichte aufzuklären. Warum sollten wir da flüchten wollen?“
Er schüttelte den Kopf. „Ihren Protest können Sie sich sparen! Ich wäre wohl ein lausiger Gesetzeshüter, wenn ich jeden Gesetzlosen beim Wort nehmen würde, der mir hoch und heilig verspricht, nicht abzuhauen.“
„Lass gut sein, Annie!“, bat Rafe müde. „Das wird mich schon nicht umbringen.“
Das wusste sie, doch ihre Erfahrung hatte sie inzwischen auch gelehrt, wie unangenehm es war, gefesselt zu sein. Dabei hatte Rafe ihr die Hände vor dem Bauch festgebunden, nicht einmal hinten. Sie überlegte, ob sie selbst Atwater aus dem Hinterhalt angreifen sollte, doch auf der anderen Seite brauchten sie ihn noch. Er hatte die nötige Autorität, um die Sache zu Ende zu bringen. Und selbst die Kerle, die hinter Rafe her waren, würden es sich wohl zwei Mal überlegen, eh sie auf einen U.S. Marshal schossen.
Als sie an diesem Abend ihr Lager aufschlugen, band Atwater Rafe nicht einmal zum Essen los. Also musste Annie ihn füttern. Die endlos langen Tage und Nächte, in denen sie sich um die Apachen gekümmert hatte, hatten sie sehr erschöpft, sodass sie gerade noch lange genug wach war, um danach selbst etwas zu essen. Kaum hatte sie das Geschirr gesäubert, nahm sie sich eine Decke und rollte sich darin zwischen den beiden Männern ein. Rafes harte Miene ließ keinen Zweifel daran offen, dass er dieses neue Schlafarrangement ganz und gar nicht billigte. Andererseits konnte Annie sich in Gegenwart des Marshals ja wohl kaum an ihn kuscheln. Schließlich legte sich Rafe mit nur einer Armlänge Abstand neben sie, und sie seufzte erleichtert auf, dass er trotz allem so nah bei ihr sein würde.
Er legte sich auf die Seite, mit dem Gesicht zu ihr, die gefesselten Hände hinter dem Rücken.
„Glaubst du, du kannst schlafen?“ Sorge klang in ihrer schläfrigen Stimme mit.
„Ich bin so müde, dass ich sogar im Stehen schlafen würde“, gab er zurück. Annie war nicht sicher, ob sie ihm das abnehmen sollte, war aber selbst zu müde, um noch einmal nachzuhaken. Sie wünschte sich nur, noch näher bei ihm zu sein. Nach all den Wochen, die sie mit ihm verbracht hatte, fühlte sie sich verloren ohne seine starken Arme, die sie während des Schlafs schützend umschlungen hielten. Aber es tröstete sie
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