Gefangene des Feuers
glaubt, dass ich damit Vanderbilt unter Kontrolle bringen kann. Und ich denke, er hat recht. Die Sprache des Geldes ist eine, die Mr Vanderbilt versteht, und die einzige, die er respektiert. Es ist mir eine Ehre, Ihnen zu helfen, Mr McCay! Die Beweislage hier ist ... erdrückend. Ein Skandal. Kann ich darauf vertrauen, dass Sie Ihren Verfolgern noch ein paar weitere Tage entkommen können?“
J. P. Morgan brauchte acht Tage, um sich die Unterstützung zu sichern, die er brauchte, und er hatte nicht die Absicht, ohne diese Hilfe einen Schritt zu unternehmen. Denn eine Schlacht ließ sich nur dann gewinnen, wenn man über die nötigen Waffen verfügte. Und J. P. Morgan verfügte über die nötigen Waffen, als er schließlich ein Treffen mit Vanderbilt vereinbarte. Überdies formte sich in seinem Kopf schon ein anderer Kampf, ein Kampf, der Jahre dauern würde, bis er gewonnen war. Aber diese Papiere hatten ihm den Anstoß gegeben, den er brauchte.
Annie war fast krank vor Aufregung. Alles hing von diesem Treffen ab. Die nächste halbe Stunde würde darüber entscheiden, ob Rafe und sie je ein normales Leben führen könnten oder für immer auf der Flucht sein würden. Rafe hatte sie eigentlich im Hotel lassen wollen, aber es stand auch für sie viel zu viel auf dem Spiel, sodass er schließlich nachgab. Vielleicht, weil ihm auch bewusst geworden war, dass zu warten für sie noch schwerer zu ertragen war als zu wissen, was vor sich ging.
Rafes Pistole steckte hinten in seinem Gürtel. Auf dem Weg zu Commodore Vanderbilts Büro prägte er sich jeden Angestellten, jedes Zimmer ein. Atwater machte es genauso. „Haben Sie diesen Winslow schon gesehen?“, zischte er ihm zu, doch Rafe schüttelte den Kopf.
Vanderbilts Büro, war ein Abbild von Luxus, mit einem Seidenteppich am Boden und einem Kristalllüster an der Decke. Cornelius Vanderbilt legte offensichtlich großen Wert darauf, seinen Reichtum zur Schau zu stellen. Die ausladenden Sessel waren aus feinstem Leder, die vertäfelten Wände aus teuerstem Mahagoni. Annie hatte sich vorgestellt, dass in dem Sessel hinter dem riesigen Schreibtisch ein grausam lächelnder Teufel sie empfangen würde. Stattdessen saß ein weißhaariger alter Mann darin, der mit dem Alter wohl immer gebrechlicher geworden war. Nur seine Augen verrieten noch seine Rücksichtslosigkeit, mit der er sein Imperium aufgebaut hatte.
Überrascht sah Vanderbilt die vier Leute an, die sein Büro betraten. Er hatte geglaubt, es bei diesem Treffen nur mit Mr Morgan zu tun zu haben, einem Bankier, der über genügend Einfluss verfügte, um es wert zu sein, von ihm empfangen zu werden. Trotzdem genügte er den Regeln eines Gastgebers, ehe sich das Gespräch dem Geschäftlichen zuwandte. Denn es ging immer ums Geschäft. Aus welchem anderen Grund sollte ein Bankier ihn sonst um ein Treffen bitten? Es war eine Frage seines Stolzes gewesen, Morgan zu sich kommen zu lassen, statt sich in dessen Büro zu treffen. Denn es machte deutlich, auf wessen Seite die größte Macht zu finden war. Er zog seine Uhr heraus, ein Hinweis darauf, dass seine Zeit kostbar war.
Morgan war dies nicht entgangen. „Wir werden Ihre Zeit nicht lange in Anspruch nehmen, Sir. Darf ich Ihnen U.S. Marshal Noah Atwater vorstellen, und Mr und Mrs Rafferty McCay?“
Ein Marshal der Bundesbehörde? Vanderbilt musterte den älteren Mann, ein ziemlich unsympathisches Individuum, wie er befand. Er tat ihn als unbedeutend ab. „Ja, ja, machen Sie weiter“, sagte er ungeduldig.
Die vier hatten ihn genau beobachtet, und Annie war verwirrt, weil er keinerlei Reaktion auf Rafes Namen gezeigt hatte. Dabei sollte ein Mann, der eine beachtliche Summe Geldes ausgegeben hatte, um jemanden suchen zu lassen, den Namen seines Opfers doch wohl kennen.
Schweigend legte Morgan die Dokumente auf Vanderbilts Tisch. Es waren nicht die Originale, sondern originalgetreue Kopien. Denn es kam nur darauf an, den Commodore wissen zu lassen, dass sie die Dokumente in Händen hatten.
Vanderbilt nahm die erste Seite mit leicht gelangweilter Miene auf. Er brauchte nur ein paar Sekunden, um zu realisieren, was er vor Augen hatte. Abrupt ging sein Blick zurück zu Morgan, dann zu Atwater. Schließlich straffte er sich. „Ich verstehe. Wie viel wollen Sie?“
„Es geht nicht um Erpressung“, entgegnete Morgan. „Genauer gesagt nicht darum, dass wir Geld von Ihnen erpressen wollen. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie Mr McCays Namen nicht
Weitere Kostenlose Bücher