Gefangene des Feuers
näher kam. Nein, oh nein! Sie konnte nicht zulassen, dass er sie küsste, konnte sich nicht erlauben, seinen Mund zu spüren, nicht wenn ihr Herz sich schon allein bei seinem Anblick so ungezogen benahm. Die Versuchung lockte zu süß, zu drängend. Schon einmal hatte sie sich derart schwach gefühlt, an dem Abend, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Auch wenn sie um ihr Leben gefürchtet hatte, war sie sich doch immer der gefährlichen Anziehungskraft bewusst gewesen, die dieser Mann auf sie ausübte. Inzwischen hatte sie geglaubt, vor ihm sicher zu sein, weil er sich ihr nicht in eindeutiger Weise genähert hatte, nicht einmal in der vergangenen Nacht, als sie nackt in seinen Armen geschlafen hatte. Doch jetzt merkte sie, in welcher Gefahr sie sich befand. Wenn sie ohne gebrochenes Herz nach Silver Mesa zurückkehren wollte, sollte sie sich weigern, den Kopf zur Seite drehen, kratzen und ihn wegstoßen ...
Doch es war zu spät.
Sein Mund berührte den ihren sanft und erfahren und erstickte ihren gemurmelten Protest, während seine Hand sie weiter ruhig hielt, damit er von ihr kosten konnte. Annie war zwar schon geküsst worden, aber niemals auf diese Weise, nicht so langsam, so zutiefst verführerisch. Er ließ sich nicht davon beirren, dass sie ihn wegstoßen wollte. Hilflos spürte sie, wie ihr Puls sich beschleunigte, wie Wärme ihren Körper durchströmte. Sie vergrub ihre Finger in seinem Hemd. Unter seiner geschickten Führung öffnete sie den Mund, und er beugte den Kopf, um ihr noch näher zu sein. Als seine Zunge in ihren Mund glitt, durchlief Annie ein Schauer.
Sie hatte nicht gewusst, dass Männer auf diese Weise küssten, hatte nicht erwartet, dass er seine Zunge benutzen würde. Obwohl sie während ihrer medizinischen Studien und der Praxis als Ärztin viel gesehen hatte, wäre sie nie auf den
Gedanken gekommen, dass die langsamen Bewegungen seiner Zunge in ihrem Mund sie zugleich schwach machten und erhitzten, oder dass ihre Knospen sich vor süßem Schmerz zusammenziehen würden. Sie wollte, dass er sie weiter so küsste, wollte sich an ihn pressen und seine starken Arme um sich spüren. In ihrer Unerfahrenheit war sie ihm hilflos ausgeliefert, unfähig, mit ihren eigenen Bedürfnissen umzugehen oder zu erahnen, was er als Nächstes tun würde.
Rafe zwang sich, die Hand von ihrem Nacken zu nehmen, und löste langsam seine Lippen von ihrem Mund. Am liebsten hätte er sie weiter geküsst. Verdammt, er wollte viel mehr als das!
Doch das schmerzliche Ziehen in seiner Seite, das er bei jeder Bewegung spürte, und die Schwäche in seinen Beinen erinnerten ihn daran, dass er nicht eben in der besten Verfassung war, um sich dem Liebesspiel hinzugeben. Zudem: Sie unversehrt zurückzubringen war eine Sache, aber sie im Zorn zurückzulassen, weil sie sich fallen gelassen glaubte, eine ganz andere. Es war eher unwahrscheinlich, dass sie niemandem von ihm erzählte, wenn sie sich nicht als verschmähte Geliebte fühlte. Während er sich von ihr löste, konnte er nur hoffen, dass er sich auch an diese Erkenntnis halten würde.
Sie sah blass und benommen aus und mied seinen Blick. Stattdessen starrte sie ins Feuer. An ihrem schlanken Hals konnte er sehen, dass sie schwer schluckte.
„Es war doch nur ein Kuss“, murmelte er, von dem Wunsch beseelt, sie zu besänftigen. Sie schien seinen Trost zu brauchen. Sein Blick verfinsterte sich, als ihm ein Gedanke kam, der ihm gar nicht gefiel: Auch wenn sie auf ihn reagiert hatte, war es doch möglich, dass sie Angst hatte, er würde sie vergewaltigen. Sie hatte zwar den Mund geöffnet, aber seinen Kuss eigentlich nicht erwidert. Der Gedanke, dass nur er die wachsende Hitze und Spannung spüren könnte, machte ihn rasend - aber es war durchaus möglich. „Ich werde Ihnen nichts tun.“
Annie hatte Mühe, sich wieder zu fassen. Dass er glaubte, sie hätte sich aus Angst so verhalten, war gut. Besser, als wüsste er, dass sie mehr von dem wollte, was er getan hatte. Sie sah auf ihre Hände, doch ihr wollte nichts einfallen, was sie ihm hätte sagen können. Ihr Verstand schien viel zu träge, um reagieren zu können, während ihr Puls immer noch raste.
Seufzend suchte Rafe sich eine bequemere Position und zog seinen Sattel zu sich, um sich dagegenzulehnen. Er wirkte genauso erschöpft wie am Abend zuvor, als er sie gebeten hatte, sich hinzulegen, damit auch er zur Ruhe kommen konnte. „Warum wollten Sie eigentlich Ärztin werden? Bei Frauen ist das nicht
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