Gefangene des Feuers
umschlungen auf den Decken, nachdem sie sich geliebt hatten oder gerade dabei waren, sich wieder zu lieben. Die Tage und Nächte verschwammen ineinander und manchmal, wenn sie eingedöst war und wieder aufwachte, konnte sie die Tageszeit nicht einmal mehr bestimmen. Sie hatte sich so sehr daran gewöhnt, ihn in sich zu haben, dass es sich für sie inzwischen normaler anfühlte, als von ihm getrennt zu sein.
Der Gedanke an die Zukunft erfüllte sie mit Entsetzen. Es gab nur den Augenblick, diese dunklen sinnlichen Tage, die sie gemeinsam verbrachten. Erst an dem Tag, an dem er davonreiten würde, das schwor sie sich, würde sie wieder an die Zukunft denken, an die endlos, quälend lange Zeit ohne ihn.
Doch jetzt wollte sie sich ganz dem körperlichen Vergnügen hingeben. Sie hätte nie gedacht, dass das Liebesspiel so intensiv und berauschend sein würde. Er hatte sie auf jede erdenkliche Weise geliebt, ihr Freuden geschenkt, von denen sie nicht einmal hätte träumen können. Sie war fasziniert, wie viel Wollust sie dabei empfand, und ihr sinnliches Selbstvertrauen blühte zunehmend auf.
Deshalb war es ein Schock, als sie am achten Tag aufstand, Wasser tropfen hörte und ihr bewusst wurde, dass der Schnee schmolz. Sie hatte sich so an die bittere Kälte gewöhnt, dass sie die Temperatur knapp über dem Gefrierpunkt fast als mild empfand. Und tatsächlich zeigten sich schon die ersten Vorboten des Frühlings, auch wenn noch Schnee lag. In den nächsten paar Tagen schwoll der kleine Bach mit Schmelzwasser an, und Rafe führte die Pferde zu der versteckten Wiese, damit sie sich nach der langen Zeit, die sie eingesperrt gewesen waren, endlich austoben konnten. Unter dem Schnee fanden sie schon das erste frische Gras.
Annie war klar, dass sie nun bald aufbrechen würden. Tatsächlich hätten sie sich schon aufmachen können, obwohl der geschmolzene Schnee ihre Reise zu einem riskanten Unternehmen machen würde. Sie spürte, dass Rafe damit den Aufschub entschuldigte, aber das war ihr egal. Jede Minute, die sie mit ihm verbringen konnte, war so unendlich wertvoll! Und ihr blieb nur noch so wenig Zeit mit ihm ...
Als er die Pferde eines Morgens zum Grasen auf die Wiese führte, nutzte sie die Gelegenheit, um Wasser warm zu machen, weil sie waschen wollte. Er hatte ihr zur Vorsicht seine Ersatzpistole dagelassen, während er fort war, auch wenn es nur ein paar Minuten sein würden. Sie verwahrte sie in ihrer Rocktasche, als sie zum Bach ging und mit einem Eimer Wasser wieder zurückkam. Die Waffe war schwer und zog ihren Rock herunter, aber ihr gesunder Menschenverstand hatte ihr geraten, sie nicht in der Hütte zu lassen. Die Bären würden jetzt hungrig und gereizt aus ihrem Winterschlaf erwachen. Auch wenn Rafe gesagt hatte, dass ein Bär sie wohl nicht bedrohen würde, wollte sie kein Risiko eingehen. Vermutlich würde sie nicht einmal treffen, doch zumindest würde ein Schuss aus der Pistole Rafe alarmieren. Als sie zum zweiten Mal vom Bach kam, achtete sie genau auf ihre Schritte; der geschmolzene Schnee hatte den Boden weich und rutschig gemacht. Als ein Pferd wieherte, sah sie verwirrt hoch und entdeckte einen Fremden, der hoch zu Ross vor der Hütte stand. Von Panik erfasst, glitt ihr der Eimer aus der Hand.
„Entschuldigen Sie, Ma’am!“, sagte der Mann. „Ich wollte Sie nicht erschrecken.“
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Ihr Kopf schien völlig leer, die Lippen taub.
Er verlagerte sein Gewicht im Sattel. „Ich habe den Rauch gesehen“, erklärte er. „Wusste nicht, dass sich hier oben jemand eingenistet hat, und dachte, es könnte vielleicht ein Lager sein.“
Wer war dieser Mann? Nur einer, der zufällig vorbeigekommen war? Oder stellte er eine Bedrohung dar für Rafe? Allerdings wirkte er ganz und gar nicht bedrohlich, sondern vermied sorgsam jede Bewegung, die sie als aggressiv hätte deuten können. Trotzdem war sie schockiert, dass ein Fremder in ihre kleine, abgeschiedene Welt eingedrungen war. Wo steckte Rafe? Ob Gott , lass ihn jetzt nicht zurückkommen!
„Ich will Ihnen doch nichts tun!“, sagte der Fremde. Er wirkte ruhig und gelassen, und seine Stimme klang beinahe sanft. „Ist Ihr Mann in der Nähe?“
Annie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sagte sie Ja, wüsste er, dass sie nicht allein war. Aber was würde er tun, wenn sie Nein sagte? Annie hatte während der vergangenen Jahre zu viele Wunden versorgen müssen, um noch an das Gute in ihren Mitmenschen
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