Gefangene des Feuers
eine Weile nur an, ehe sie nickte.
„Also gut.“ Sie hielt inne, während ihre Miene sich besorgt umwölkte. „Ich hoffe, dass du mit mir nicht langsamer vorankommst.“
Das wäre der Fall, aber es spielte keine Rolle. Er konnte sie nicht allein lassen. Sanft zog er sie auf die Füße. „Lass uns gehen. Wir müssen weg von hier.“
Gehorsam stieg sie in den Sattel. „Warum nehmen wir nicht Traherns Pferd mit?“
„Weil jemand es wiedererkennen könnte.“
„Wird es denn hier allein überleben können?“
„Ich habe ihm Sattel und Zaumzeug abgenommen. Wenn es hungrig genug ist, wird es nach Gras suchen. Vielleicht kommt auch jemand vorbei und findet es, oder es wird in der Wildnis überleben lernen.“
Sie sah zur Hütte und musste daran denken, dass Trahern tot darin lag. Auch wenn sie es verabscheute, ihn nicht begraben zu können, akzeptierte sie, dass es nicht möglich war.
„Hör auf, daran zu denken!“, befahl Rafe. „Es gibt nichts, was du hättest anders machen können oder jetzt noch tun könntest.“
Ein sehr pragmatischer Ratschlag. Sie konnte nur hoffen, dass sie willensstark genug war, sich daran zu halten.
Das helle Sonnenlicht, das vom Schnee reflektiert wurde, blendete fast, und der Himmel war strahlend blau. Ein frischer süßer Duft kündigte an, dass die ersten Frühlingsboten unter dem Schnee zu neuem Leben erwacht waren. Ein Leben war zu Ende gegangen, aber die Zeit ging weiter. Vor zwei Wochen war sie zu einem albtraumhaften Ritt in die Berge gezwungen worden. Es war dunkel und kalt gewesen. Sie hatte entsetzliche Angst gehabt und war an die Grenzen ihrer Kraft gestoßen, während der Winter das Land immer noch in seinem trostlosen Griff umklammert hielt. Jetzt verließ sie diese Berge mit einem Gefühl von Bedauern und folgte freiwillig dem Mann, der sie entführt hatte. Diesmal war sie umgeben von einer Schönheit, die so wild und berauschend war, dass sie kaum alles aufnehmen konnte. In diesen zwei Wochen hatte sie einen verwundeten Gesetzlosen geheilt und sich in
ihn verliebt. Er war jetzt ihr Liebhaber, dieser große, starke Mann mit den kühlen Augen. Um ihn zu beschützen, hatte sie einen anderen Menschen getötet. In diesen zwei Wochen hatte sich ihr Leben völlig verändert, genau wie die Natur.
Rafe ließ die Pferde so viel wie möglich im Schnee gehen. Auf diese Weise kamen sie langsamer als notwendig voran und hinterließen zudem eine gut sichtbare Spur. Annie wollte ihm das gerade sagen, als ihr bewusst wurde, dass der Schnee schmolz und so jegliche Spuren verwischt werden würden. Sollte ihm jemand folgen, müsste er die Hütte schon sehr bald finden und ihre Spur sofort aufnehmen, sonst wäre sie verschwunden.
„Wohin gehen wir?“, fragte sie, nachdem sie etwa zwei Stunden geritten waren.
„Nach Silver Mesa.“
Sie zügelte ihr Pferd. „Nein“, wehrte sie ab und wurde blass. „Du hast doch gesagt, ich könnte bei dir bleiben.“
„Komm weiter“, sagte er scharf. „Du bleibst ja bei mir. Ich habe nicht gesagt, dass ich dich in Silver Mesa zurücklasse, nur dass wir dorthin reiten.“
„Aber warum?“
„Zum einen, weil du noch mehr Kleidung brauchst. Normalerweise würde ich das Risiko nicht auf mich nehmen, aber dein Haus ist weit genug von der Stadt entfernt, dass wir ungesehen zu dir nach Hause kommen und wieder verschwinden können.“
Sie sah hinunter auf ihren Rock. Ein großes Loch war dort eingebrannt, wo früher die Tasche gewesen war. Der Gedanke, dass sie beinahe bei lebendigem Leib verbrannt wäre, ließ sie zusammenfahren, obwohl sie sich zu dem Zeitpunkt nicht einmal der Gefahr bewusst gewesen war.
„Ich werde dich begleiten.“
„Nein.“
Seine Stimme klang wie immer, wenn er einen Entschluss
gefasst hatte und sich nicht umstimmen lassen würde. Aber sie versuchte es trotzdem. „Warum denn nicht, wenn uns wahrscheinlich sowieso keiner sieht?“
„Zu riskant“, gab er zurück. Er war schon einmal unvorsichtig gewesen; ein zweites Mal würde es nicht geben. „Falls mich doch jemand zufällig sieht, will ich nicht, dass sie dich mit mir in Verbindung bringen. Es ist zu deiner eigenen Sicherheit. Sag mir einfach, was du brauchst, und ich versuche, es zu finden.“
Sie dachte an all die Kräuter, die sie in den kleinen Töpfen gezüchtet hatte, aber sie wusste, dass sie sie zurücklassen musste. All ihre Bücher, von denen einige noch von ihrem Vater stammten, waren für sie von unschätzbarem Wert, und die meisten
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