Gefangene Seele
meint, Jade würde trauern und müsse ihren eigenen Weg finden, mit ihrer Trauer umzugehen. Aber ich habe Angst.”
Luke kniff die Augen zusammen. “Meinst du, sie könnte sich etwas antun?”
Sam zögerte, bevor er antwortete. Das reichte Luke, um zu wissen, was er tun sollte.
“Schau mal”, sagte Luke. “Wenn ich eines über deine Tochter weiß, dann das, dass sie eine echte Kämpfernatur ist. Sie hat sich selbst kein einziges Mal gehen lassen, obwohl sie die schlimmsten Dinge durchgemacht hat. Unterschätze sie nicht, Sam. Sie ist traurig, aber sie überlegt sich jetzt nicht, wie sie sich am besten umbringen könnte.”
“Ja, ich weiß das ja. Aber es ist gut, es noch einmal von dir zu hören. Ich wollte dich nicht noch mehr in Anspruch nehmen. Warum wolltest du mich anrufen?”
“Du nimmst mich nicht in Anspruch, Sam. Ich sorge mich um Jade, womöglich mehr als ich sollte.” Luke seufzte und dann platzte er damit heraus, denn er wusste, er musste es jemanden sagen. “Ich tue gerade etwas, vor dem mich Raphael gewarnt hat.”
“Was soll das sein?”, fragte Sam.
“Ich verliebe mich gerade in deine Tochter.”
Sam runzelte die Stirn. “Warum, zur Hölle, sollte Raphael so etwas sagen? Ich wäre überglücklich darüber, wenn ihr ein Paar wärt.”
“Ich glaube, er meinte damit, dass er wusste, wie wenig Jade anderen vertraut, besonders Männern. Geschweige denn, sie an sich heranzulassen. Er wollte nicht, dass sie verletzt wird. Aber das will ich auch nicht.”
Sam seufzte. “Danke, dass du so ehrlich bist. Ich schlage mich eher schlecht als recht als Vater, glaube ich. Also habe ich nicht das Recht, etwas dazu zu sagen.”
“Dann sind wir ja quitt”, sagte Luke. “Besonders Jade. Ihre Welt ist in Stücke zerbrochen. Es wird unsere Aufgabe sein, ihr dabei zu helfen, sie wieder heil zu machen.”
“Und dafür zu sorgen, dass sie dabei nicht zerbricht”, fügte Sam hinzu.
“Genau”, sagte Luke. “Deshalb wollte ich anrufen. Ich habe eine Kopie des Phantombildes von Johnny Newton. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob Jade überhaupt noch mit mir spricht, aber ich muss wissen, ob sie ihn erkennt.”
“Komm ‘rüber”, forderte Sam ihn auf. “Vielleicht kommen wir gemeinsam zu einer Antwort.”
“Wenn du mir erlaubst, das zu sagen … Ich glaube, wenn wir ihr gemeinsam gegenübertreten, bekommt sie vielleicht Angst, dass wir eine Front gegen sie machen. Ich würde es gern allein versuchen.”
“Ja, natürlich.”
“Gut, dann bin ich gleich da.”
“Okay”, sagte Sam und legte auf. Als er sich umdrehte, betrat Velma das Wohnzimmer.
“Mr. Cochrane, der Junge, der den Garten macht, ist hier. Kevin möchte wissen, ob Sie dieses Mal einen besonderen Wunsch haben, oder ob er alles machen soll wie sonst auch?”
“Sagen Sie ihm, dass er nur den Rasen mähen und Unkraut jäten soll. Die Hecken müssen erst wieder geschnitten werden, wenn es geregnet hat.”
“Ja, Sir.” Velma blieb im Türrahmen stehen. “Ihre Tochter …”
“Ja?”
“Sie hat das Essen nicht angerührt, dass ich ihr im Flur hingestellt habe. Sollten wir etwas unternehmen?”
“Zum Beispiel?”, fragte Sam. “Wir können sie nicht zwingen, etwas zu essen. Sie wird etwas essen, wenn sie wieder Hunger hat. Außerdem kommt Luke gleich hierher.”
Velma drehte sich um, dankbar, dass ihr die Entscheidung abgenommen wurde. Sie ging los, um Kevin Sams Anweisungen mitzuteilen.
Lukes Wagen sollte erst am nächsten Tag aus der Werkstatt kommen, daher fuhr er einen Leihwagen. Es war ein weißer zweitüriger Lincoln. Für seinen Geschmack roch der Wagen zu sehr nach Tannenduft, aber so war es nun einmal.
Abgesehen von dem, was er Sam erzählt hatte, machte er sich um Jade Sorgen. Wenn sie sich von allen im Haus zurückzog, konnte er sich nur zu gut vorstellen, mit welchen Dämonen sie sich allein herumschlug. Und falls sie nicht schlafen sollte, ahnte er auch den Hintergrund dafür. Vorher hatte sie Raphael gehabt, der ihren Schlaf vor den bösen Geistern beschützte, aber nun war sie allein. Wahrscheinlich hatte sie Angst, die Augen zu schließen, weil sie fürchtete, dass die Gesichter wieder auftauchen würden. “Gott hilf ihr … und mir auch”, sagte Luke leise zu sich selbst.
Als er bei Sam ankam, nahm er das Phantombild, winkte seinen Angestellten zu, die draußen auf ihren Posten Wache standen, und klingelte an der Tür.
Velma öffnete.
“Er ist in der Bibliothek und hat gerade eine
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