Gefechte der Leidenschaft
bei gutem Wetter dort spazieren zu gehen, und die zahlreichen Familien und allein stehenden jungen Männer nutzten auch diesen schönen Abend für eine Promenade am Fluss. Als sie einen oder zwei Häuserblocks von ihrer Wohnung entfernt waren, warf Lisette zufällig einen Blick zurück und bemerkte, dass die Gruppe der Straßenjungen wie aus dem Nichts aufgetaucht war und ihnen folgte. Sie war außerordentlich froh, sie zu sehen, und freute sich, dass sie ihr nach dem Aufruhr vom vergangenen Abend nicht untreu geworden waren. Bei näherem Hinsehen erkannte sie, dass ein oder zwei der Jungen fehlten, konnte jedoch natürlich nicht sagen, ob sie es einfach satt bekommen und sich davongemacht hatten oder ob sie losgelaufen waren, um über ihrer beider Schritte Bericht zu erstatten.
Die Antwort auf diese Frage erhielt sie kurze Zeit später. Sie waren erst wenige Meter an dem niedrigen, grasbewachsenen Uferdamm entlanggegangen, als sie in einiger Entfernung zwei Herren auf sich zukommen sahen.
Es waren Caid und Nicholas, die dahinschlenderten, als hätten sie nichts anderes im Sinn als frische Luft zu schnappen. Mit der unnachahmlichen Leichtigkeit, die mit einer ausgezeichneten körperlichen Verfassung einhergeht, verbeugten sie sich hin und wieder vor einer Dame, blieben zuweilen stehen, um sich mit anderen Herren zu unterhalten und schienen Lisette und ihre Begleiterin gar nicht zu bemerken. Dennoch konnte sich Lisette nicht vorstellen, dass sie rein zufällig da waren.
Sie hoffte geradezu, dass es nicht so war, denn sie hatte noch viel mit Monsieur Caid O’Neill zu besprechen.
»Mir scheint, deine Bemühungen, den Herrn frei zu bekommen, waren nicht vergeblich«, flüsterte Agatha.
»Den Heiligen sei Dank dafür.«
»Glaubst du, er weiß es?«
»Das werden wir bald erfahren.«
Bei ihren eigenen Worten spürte Lisette einen kleinen erwartungsvollen Schauder. Er würde ihr ihre Einmischung doch wohl nicht übel nehmen? Männer konnten in solchen Dingen sehr seltsam reagieren, als seien Stolz und der Wunsch, niemandem verpflichtet zu sein, wichtiger als das Leben. Das war einfach idiotisch, da war sich Lisette noch sicherer, seit sie erfahren hatte, wie oft sich Caid ihretwegen schon in Gefahr begeben hatte.
»Wie schön, Sie hier zu treffen, Monsieur Pasquale«, sagte Agatha, als die vier auf gleicher Höhe waren und einander begrüßt hatten.
»Heute Abend ist es für uns ein besonderes Vergnügen draußen zu sein«, antwortete der Italiener mit einem Lachen. »Sie haben vermutlich gehört, dass wir Bekanntschaft mit dem neuen Gefängnis gemacht haben, O’Neill als Duellant und ich als sein erster Sekundant?«
»Zum Glück war es ja nur für kurze Zeit.« Agathas Gesicht leuchtete flammend rot, vielleicht, weil sie die ungeteilte Aufmerksamkeit des Fechtmeisters mit dem sanften Blick und dem dunklen Haar genoss, dem ständig eine widerspenstige Locke in die Stirn fiel.
»Der Dank, Mademoiselle, gebührt ausschließlich Ih-nen und Madame Moisant. Dafür werden wir ewig in Ihrer Schuld stehen.«
»Das brauchen Sie nicht, Monsieur«, sagte Lisette zu Nicholas, wobei sie jedoch die ganze Zeit nur Caid anblickte. »Da Sie meinetwegen in Schwierigkeiten geraten sind, lag es auch an mir, es wieder in Ordnung zu bringen.«
»Was mich betrifft, so erlaube ich mir, anderer Meinung zu sein«, sagte Caid ein wenig gereizt. »Können wir jetzt damit aufhören, Höflichkeiten auszutauschen? Wir müssen noch etwas anderes besprechen, bevor wir ringsum Aufmerksamkeit erregen.«
Dafür war es schon ein bisschen zu spät, dachte Lisette, als sie bemerkte, wie sich Passanten nach ihnen umdrehten. Dennoch zwang sie sich, ruhig und gelassen zu sprechen. »Und das wäre?«
»Madame Herriot hat sich kurzfristig entschlossen, eine Landhausparty auf ihrer flussaufwärts gelegenen Plantage zu geben. Sie und Mademoiselle Stilton werden die Einladungen morgen früh bekommen, denke ich. Es käme sehr gelegen, wenn Sie sie annehmen würden.«
»Gelegen?«
»Es gibt Ihnen einen Grund, die Stadt zu verlassen, bis sich das unerfreuliche Aufsehen, das durch die ausgehängte Anzeige und das Duell mit Sarne verursacht wurde, gelegt hat.«
»Eine vorzügliche Idee«, bestätigte Agatha. »Ich habe Lisette gerade etwas Ähnliches vorgeschlagen.«
»Die ungezwungene Atmosphäre auf dem Land wird eine willkommene Abwechslung sein«, fuhr Caid fort, während er Lisettes Blick suchte und festhielt. »Vielleicht finden wir dort auch
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