Gefechte der Leidenschaft
Zufall sein, dass die Fechtmeister in ihren Träumen immer Caids Gesicht trugen. Ihn kannte sie eben einfach am besten, das war alles. Nun ja, in letzter Zeit natürlich auch wegen seines Versprechens. Das sollte wohl genügen, um in jeder Frau nächtliche Fantasien zu wecken. Es gab also für alles eine ganz vernünftige Erklärung.
Lisette ließ die Zügel auf das glänzende Hinterteil des grauen Wallachs klatschen und setzte lächelnd ihren Weg zur Herriot-Plantage fort, während ihr das Herz bis zum Halse schlug. Sie tauschte fröhliche Scherzworte mit den Herren aus, die hinter ihrem Wagen ritten, und nur sie allein wusste, dass sie gar nicht darauf achtete, was diese antworteten.
Dreizehntes Kapitel
Auf dem Landsitz der Familie Herriot, dem Maison Blanche, herrschte Frühling. Die Bäume schlugen aus und auf den Zuckerrohrfeldern bildeten die Reihen der Setzlinge - frisch gepflanzt, knöchel- oder kniehoch — ein lebhaftes Schachbrettmuster. Das im westindischen Stil erbaute Herrenhaus war überaus stattlich mit seinen breiten Gesimsen und Galerien, unter denen die weiß getünchten Hauswände aus Zypressenholz und der hohe Sockel aus stuckverzierten Backsteinen im Schatten lagen.
Caid stand auf der oberen Galerie, die Arme auf die Gitterbrüstung gestützt, und schaute über das Land. Unter ihm erstreckte sich der Park mit seinen vereinzelten immergrünen Eichen und der gewundenen Zufahrt bis hinunter zum Mississippi, dessen niedriger Damm von den anliegenden Plantagenbesitzern in Stand gehalten wurde. Er blickte auf die Nebengebäude zu seiner Rechten: die Remise, die Kapelle, die Werkstätten des Huf- und des Kupferschmiedes, Schule, Krankenstation und das Sprechzimmer des Arztes. Weiter hinten lagen der Stall für das Milchvieh, die Maisspeicher und die von Bäumen überschatteten Reihen der getünchten Sklavenhütten. Dahinter breiteten sich die Felder aus. Zu seiner Linken befand sich ein Blumengarten mit Beeten und Rasenflächen, die von niedrigen Sträuchern eingefasst waren. Zwischen ihnen schlängelten sich Wege, die den Spaziergänger zu einem natürlich gewachsenen Waldstück in einer Flussschleife führten. Er sah, dass die Osterglocken und andere Narzissen am Rand der Gartenwege schon fast verblüht waren und die Blütenblätter der Kamelien, Maurelies Lieblingsblumen, auf dem Boden eine dicke Schicht bildeten, die gerade von einem Gärtner mit einem Besen aus Hartriegelreisig zu Haufen zusammengefegt wurde. Die Rosen — China-, Gallica- und Bourbonrosen aus Italien und Frankreich - öffneten bereits ihre Knospen und ihr Duft wehte bis zur Galerie herüber.
Heute war es wirklich zu heiß, sogar für diese subtropischen Breiten. Die Luft war drückend und so gesättigt mit Feuchtigkeit, dass sich die vereinzelten Sonnenstrahlen auf dem nassen Grün von Gras und Bäumen brachen und wie Smaragde funkelten. Immer wieder schoben sich Wolken vor die Sonne und verdunkelten den Himmel.
Es waren erst wenige von Maurelles Gästen eingetroffen, da es noch früh am Tag war. Doch Caid war unruhig, denn um hier ein paar Tage verbringen zu können, hatte er sein Studio schließen müssen. Normalerweise hätte er um diese Zeit mit Schülern gefochten, ihnen Anweisungen und Ermahnungen zugerufen. Seine Muskeln fühlten sich hart und verspannt an, als fehle ihnen das tägliche Training auf der Fechtbahn. Er wollte nur hoffen, dass diese Unterbrechung keine nachhaltigen Auswirkungen auf sein Geschäft haben würde, denn er konnte es sich nicht leisten, Kunden zu verlieren.
Als er gedämpfte Schritte auf dem Dielenboden der Galerie vernahm, blickte er sich um. Es war Maurelle, die auf leisen Sohlen durch die offenen Glastüren aus dem Wohnzimmer getreten war und nun betont langsam auf ihn zugeschritten kam, als hätte sie nichts Dringendes zu tun. Ihr Haus wimmelte von Bediensteten, von denen jeder seine Aufgabe hatte. Caid nahm an, dass die Vorbereitungen auch für Maurelle anstrengend sein mussten, doch falls die Aussicht auf mehr als zwei Dutzend Gäste, die innerhalb der nächsten Stunden eintreffen würden, sie auch nur im
Geringsten beunruhigte, ließ sie es sich zumindest nicht anmerken.
Seine Mutter war durch Besuch immer in helle Aufregung geraten, erinnerte sich Caid. Das war eben der Unterschied, wenn man Dienstboten hatte. Plötzlich wünschte er, er hätte seiner Mutter ebenso viel Muße und Sorglosigkeit ermöglichen können, wie er hier antraf.
»Alors, mon ami«, sagte Maurelle lächelnd.
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