Gefechte der Leidenschaft
gesorgt.«
»Aber Sie glauben doch wohl nicht...«
»Sei darüber ganz beruhigt, ma chere. Für solch gemeine Machenschaften habe ich nichts als Verachtung übrig. Aber ist das der Grund, warum du dieses Blutvergießen verteidigst? Oder schmeichelt es deiner Eitelkeit, dass sich zwei Männer deinetwegen schlagen wollen?«
»Ganz bestimmt nicht! Ich verabscheue es unter allen Umständen.«
»Es ist mir allerdings zu Ohren gekommen, dass dieser O'Neill in letzter Zeit nicht weniger als vier Duelle um deiner Ehre willen ausgetragen hat. Mit diesem jetzt gegen Sarne sind es fünf.«
Lisette war sprachlos vor Schreck und es dauerte ein paar Sekunden, bevor sie antworten konnte. »Vier? Sind Sie da ganz sicher? «
»So etwas lässt sich auf die Dauer nicht verheimlichen, ma chere. Bald wird es jeder wissen. Und wenn du nicht aufpasst, werden sich die Leute fragen, warum er dich mit solch wütender Entschlossenheit verteidigt.«
»Das habe ich Ihnen doch schon erklärt.«
Das Morgenlicht, das in die Fenster fiel, spielte auf dem vollen, silbergrauen Haar des Richters. »Ja, das hast du. Aber trotzdem.«
»Da liegt es ja auf der Hand, dass Monsieur O’Neill gerade jetzt auf gar keinen Fall vor Gericht gestellt werden darf, selbst wenn er wahrscheinlich freigesprochen würde.«
»Deine Argumente sind sehr überzeugend«, gab der Richter zu und zupfte stirnrunzelnd an seiner Oberlippe.
Lisette, durch sein Verhalten ermutigt, bestürmte ihn weiter mit inständigen Bitten. Schließlich erklärte sich der Richter bereit, sich näher mit der Angelegenheit zu befassen, und als Agatha und sie aufbrachen, konnte sie fast sicher sein, dass die Klage gegen Caid fallen gelassen würde.
»Du verblüffst mich«, sagte Agatha, während sie, nun sehr viel ruhigeren Schrittes als auf den Hinweg, nach Hause gingen.
Lisette warf ihr einen argwöhnischen Blick zu. »Ich weiß nicht warum.«
»Du stürmst ohne zu zögern los und nutzt deine Bekanntschaft mit dem Richter aus, um den Fechtmeister, praktisch einen Fremden, frei zu bekommen, doch um Hilfe für dich selbst hast du dich nie an diesen alten Freund der Familie gewandt.«
»Du weißt doch, dass der Richter dafür nicht in Frage käme.« Richter Reinhardt war Witwer - und ein unverheirateter Mann konnte sich nicht einer ledigen Frau annehmen, ohne in den Verdacht zu geraten, sein Interesse an ihr sei persönlicher, ja sogar intimer Natur. Damit hatte sich Lisette schon lange abgefunden. Außerdem war sie überzeugt, dass der Freund ihrer Mutter nicht unbedingt gut heißen würde, was sie in letzter Zeit so alles getan hatte.
»Es muss doch noch andere Bekannte deiner Mutter geben, die dich einladen, zu Gesellschaften und Bällen begleiten, kurz, dir so etwas wie ein gesellschaftliches Leben ermöglichen könnten.«
»Die gab es vielleicht schon, aber wer weiß, wie es jetzt damit steht. Offen gesagt, ich möchte lieber alles beim Alten lassen, zumindest bis ich meine Trauerkleidung ablegen kann.«
»Wenn die Freunde deiner Mutter von diesen lächerlichen Gerüchten und Anschuldigungen wüssten, würden sie dir sicher zu Hilfe kommen.«
»Möglich. Und vielleicht tun sie das eines Tages auch. Aber ich hoffe einfach, dass mein Schwiegervater dieses Spielchen satt bekommt, wenn er merkt, dass er mich damit nicht gefügig machen kann. Oder dass Monsieur O’Neill ihn zum Aufgeben überreden kann.«
»Ich fürchte, du bist da zu optimistisch. Dieser Moisant ist schließlich nicht bei Sinnen!«
»Ich hoffe sehr, dass du dich irrst, Agatha.«
»Ich auch«, erwiderte ihre Gefährtin, doch es klang nicht sehr zuversichtlich.
Am Nachmittag wurde das Wetter schön und die Luft war mild und weich wie Seide. Der Regen hatte einen Teil des widerlichen Unrats durch die Abflussrinnen, die in der Mitte der Straße verliefen, fortgeschwemmt und bald erschien eine Gruppe von Sträflingen in ihrer gestreiften Kluft und beseitigte den Rest. Die pastellfarbenen Häuser sahen aus wie frisch gewaschen und warfen weiche Schatten im sanften Frühlingslicht. Die warme Brise war erfüllt vom Duft der Nelken, des süßen Ölbaums und Jasmins, der sich mit dem Wohlgeruch der wilden Azaleen mischte. Als sich die Sonne gen Westen neigte und die Schatten der schmiedeeisernen Balkongitter vor dem Hintergrund der Galerien wie schwarze Spitze wirkten, war es einfach viel zu schön, um im Haus zu bleiben.
Auch Lisette und Agatha wagten sich ins Freie und bummelten zur Uferstraße. Es hatte Tradition,
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