Gefechte der Leidenschaft
der Schale gebackenen Austern und zuletzt verschiedenen Cremes, Käse und Nüssen. Dazu wurden diverse Weine kredenzt und den Abschluss bildeten cafe brulot und Liköre, darunter ein besonders feines Danziger Goldwasser. Nach dem Essen flaute die lebhafte
Stimmung ab, die Gäste begannen zu gähnen und einer nach dem anderen zog sich zurück und ging zu Bett.
Caid hatte sich draußen in einer Ecke der oberen Galerie niedergelassen, wo sich bald Rio und Nicholas zu ihm gesellten. Rio reichte seine exklusiven Zigarren herum, die nach seinen Wünschen im Tabakwarenladen der Madame O’Hara auf dem Saint-Pierre-Platz gefertigt wurden. Blackford, der ein paar Minuten später hinzukam, wollte nicht rauchen, hielt jedoch eine Flasche Brandy in der einen und ein paar Gläser wie ein Blumenbukett in der anderen Hand.
»Also, wie stehen die Dinge?«, erkundigte sich Rio, als alle versorgt waren.
Caid zog eine Braue hoch. »Im Allgemeinen oder ...?«
»Mit unserer Bruderschaft hätte ich sagen sollen. Ein paar Vorfälle sind mir zu Ohren gekommen, aber alle habe ich sicher nicht mitgekriegt.«
»Von meinen beiden Treffen weißt du ja, da du als mein Sekundant dabei warst«, sagte Nicholas, der am Geländer lehnte. Wie immer war er auf eine undefinierbare Art elegant, so als ob sich viele Geschmäcker und Stile in ihm vereinten.
»Bei mir war es nur eins.« Mit reumütigem Lächeln betrachtete Rio seine Zigarre. »Ich bin nicht mehr Herr über meine Zeit, sondern stelle sie in Celinas Dienste.«
»Du willst es ja gar nicht anders haben«, bemerkte Caid.
»Stimmt. Dir kann ich nichts vormachen.«
»Ich hatte zwei«, fuhr Caid fort. »Und außerdem habe ich einem gewissen Drucker einen Besuch abgestattet, um ihn davon zu überzeugen, dass es nicht ratsam wäre, weitere Schmähschriften gegen Lisette zu drucken. Er hat sich schließlich meiner Meinung angeschlossen, vor allem nachdem ich ihn aufgefordert habe, jeden zu mir zu schicken, der so etwas in Auftrag geben will.«
»Dazu kommen noch die diversen offiziellen Duellforderungen, um Madame Moisants guten Namen zu schützen, nehme ich an«, sagte Rio. »Da wir gerade davon sprechen, was ist eigentlich aus Sarne geworden?«
»Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit er vor den Gendarmen vom Platz geflohen ist, aber seine Sekundanten überbrachten mir seine Entschuldigung für sein Benehmen Squirrel gegenüber.«
»Und du hast sie sicher angenommen, nicht wahr?«
Caid zuckte mit der Schulter. »Das schien mir das Beste, zumal ich vorhatte, die Stadt zu verlassen.«
»Wir wollen hoffen, dass sich dein Zorn mittlerweile gelegt hat.«
»Das hat er.« Caid nahm einen Schluck von dem milden Brandy.
»Und du?«, fragte Rio den Engländer.
»Ich fürchte, ich bin euch gegenüber im Rückstand. Ich habe nur jemanden verwarnt.«
»Jemanden, den wir kennen?«
»Möglich.« Blackford senkte leicht den Kopf. »Kennt ihr einen Amerikaner namens Haughton, Jubal Haugh-
ton?«
Die anderen schüttelten den Kopf, auch Caid, der den Engländer eingehend musterte. Dabei fielen ihm der elegante Gehrock und die Hosen auf, die weiter geschnitten waren als von den französischen Kreolen bevorzugt. Blackford hatte sich nach seiner Ankunft umgekleidet.
»Ich begegnete ihm auf einem Quadronenball, wo er mir durch sein ungehobeltes Benehmen auffiel.« Blackford schwenkte den Brandy in seinem Glas und blickte gedankenversunken auf die schillernde, kristallklare Flüssigkeit. »Er nahm sich das Recht heraus, von seiner auserwählten placee in aller Öffentlichkeit einen Gunstbeweis zu fordern, bevor er sich dazu entschließen wollte, für ihren Unterhalt aufzukommen. Die junge Frau war gelinde gesagt aufgebracht.«
Die von Blackford angesprochenen Bälle, die im Saal des alten St.-Philip-Theaters stattfanden, waren in der Regel eine friedliche Angelegenheit, trugen aber dennoch deutlich erotische Züge. Dort trafen weiße Männer von Vermögen oder einem gewissen gesellschaftlichen Ansehen mit jungen Frauen zusammen, deren Väter weiß und deren Mütter hellhäutige Mulattinnen waren. Unter diesen Mädchen, die durchaus sittsam, auf eine exotische Art attraktiv und oft ebenso gut erzogen waren wie ihre kreolischen Altersgenossinnen, wählten die Männer ihre Konkubinen aus. Hatten sie sich für ein Mädchen entschieden, folgten verbindliche Verhandlungen zwischen der Mutter und dem Gentleman oder zuweilen auch seinem Vater, der eine Konkubine als wichtig für die Erziehung seines Sohnes
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