Gefechte der Leidenschaft
O’Neill dir nun versprochen, dich vor weiteren Drohungen von Moisant zu schützen, oder nicht? «
»Ich weiß nicht, ob das in seiner Macht steht oder in der irgendeines Menschen.«
»Über was genau wolltest du dich denn dann mit ihm verständigen?«
Lisette lächelte leise. »Über die Vorgehensweise vielleicht. Wir sind schließlich übereingekommen, dass eine neue Ehe das beste Mittel wäre, die Pläne meines ehemaligen Schwiegervaters zu durchkreuzen.«
»Willst du wirklich wieder heiraten?«
»Ich könnte mich zumindest mit dem Gedanken anfreunden.«
»Das wäre mir natürlich nicht unlieb, aber woher der plötzliche Sinneswandel?« Agathas Näharbeit ruhte in ihrem Schoß.
»Eine Frage der Notwendigkeit.« Das stimmte zwar, entsprach jedoch nicht der ganzen Wahrheit. Möglicherweise, so dachte Lisette, hatten auch die unergründlichen blauen Augen des irischen Fechters und die Art, wie er im Sattel saß, ihren Anteil daran.
»Und wer wird der Glückliche sein? Doch nicht etwa Monsieur O’Neill?«
Lisette richtete sich auf und schaute sie direkt an. »Er hat die Ehre zurückgewiesen.«
»Lisette! Du hast doch nicht etwa ... Es kann doch nicht wahr sein, dass du ...« Agatha war völlig außer sich, doch ob das an dem Heiratsantrag ihres Schützlings lag oder an
dem Mann, den Lisette damit beehrt hatte, ließ sich nicht eindeutig sagen.
»Warum nicht? Du kannst doch nicht bestreiten, dass es sehr praktisch wäre.«
»Man sucht sich seinen Mann schließlich nicht danach aus, wie gut er mit dem Degen umgehen kann, meine Liebe!«
»Auch nicht, wenn es das ist, was ich am dringendsten brauche? Ich glaube kaum, dass ein Herr mit einem vornehmen Namen, der keine Ahnung vom Fechten hat, mir sehr von Nutzen wäre.«
»Aber da gilt es doch noch mehr zu bedenken, Bedürfnisse anderer Art!«
»Das alles hat mich nicht vor der Heirat mit einem Mann bewahrt, der nur an sich und seine Interessen dachte. Du brauchst dir aber keine Sorgen zu machen, denn es ist alles nur Theorie. Ich werde Monsieur O’Neill nicht heiraten. Wahrscheinlich heirate ich überhaupt nicht wieder.«
»Wahrscheinlich«, wiederholte Agatha und kniff die Augen zusammen. »Das klingt schon ganz anders als noch vor wenigen Tagen, als du geschworen hast, niemals wieder zu heiraten.«
»Das stimmt«, gab Lisette mit gepresster Stimme zu. »Da hast du wirklich Recht.«
Der folgende Morgen brachte die Wärme zurück. Die Gehwege dampften, Balkongitter und Dächer glitzerten in der Sonne und die Luft triefte geradezu wie eine warme Waschküche vor Feuchtigkeit. Es war ein Zeichen dafür, dass die Wintersaison, die lange s aison de visities, allmählich zu Ende ging und der Sommer schnell herankam. Lisette stand früh auf und kleidete sich an. Agatha war noch nicht auf, also ließ sie sich das Frühstück auf die Galerie an der Hofseite bringen. Felix trug es auf einem Tabletttischchen herbei, das er vor sie hinstellte. Auf dem Tablett lag ein gefalteter Zettel. Während Felix Kaffee und heiße Milch aus zwei Silberkännchen zugleich in ihre Tasse goss, überflog Lisette schnell die Zeilen. Danach saß sie kreidebleich da und starrte auf das Papier. Mit erstickter Stimme fragte sie Felix: »Wie ist das hierher gekommen?«
»Ein Junge hat es gebracht, Madame. Er sagte, er habe ein paar Cent dafür bekommen.«
»Hast du es gelesen?«
»Ich bedaure,« entgegnete er würdevoll, noch immer die Kannen in den Händen, »aber selbst wenn es mir möglich wäre, würde ich mir nicht die Freiheit nehmen.«
Er drückte sich so gut aus und sein Französisch war viel besser als der Gumboslang aus Französisch, Spanisch, afrikanischen Dialekten und der Indianersprache Choctaw, den die meisten Sklaven sprachen. Daher war es schwer zu glauben, dass er nicht lesen konnte. »Entschuldige bitte«, sagte Lisette schnell. »Dieser Brief enthält äußerst sonderbare Anschuldigungen, von denen sich eine auf den Tod meines Mannes bezieht. Wenn noch mehr davon kommen sollten ...«
Er machte ein besorgtes Gesicht. »Soll ich sie vernichten, Madame?«
Lisette zögerte und wollte schon ja sagen, doch dann schüttelte sie den Kopf. »Pass nur auf, dass ich allein bin, wenn du sie mir gibst.«
»Wie Sie wünschen, Madame.«
»Danke, Felix.« Als der Butler gegangen war, senkte sie ihre Augen wieder auf das Stück Papier und hatte auf einmal gar keinen Appetit mehr auf ihr Frühstück.
Die Schmähschrift sah mit ihrem schwarzen Rand wie eine der Todesanzeigen
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