Gefechte der Leidenschaft
aus, die man an Laternenpfähle und andere Pfosten im Vieux Carre klebte. Sie verkündete, dass ein Gentleman mit Einverständnis der Witwe von einem tödlich geschickten maitre d'armes im Duell ermordet worden war. Das Machwerk nannte zwar keine Namen, strotzte jedoch vor Andeutungen und enthielt so viele Einzelheiten, dass es der öffentlichen Anschuldigung gleich kam, sie und Caid hätten sich verschworen, Eugene Moisant umzubringen. Zwischen den Zeilen stand die Behauptung, dass Eugene sterben musste, weil sie beide ihn loswerden wollten.
In einem ersten Impuls wollte Lisette das Papier Caid zukommen lassen, doch sogleich besann sie sich eines Besseren. Zweifellos hatte man diese schreckliche Mitteilung überall aufgehängt, also würde er sie früh genug zu sehen bekommen. Oder vielleicht auch nicht, wenn sie jetzt schnell handelte.
Sie sprang auf, eilte die Treppe hinunter und durchquerte die Kutschendurchfahrt. Dann lief sie durch das Fußgängerpförtchen auf die andere Straßenseite, wo sich die Straßenjungen bereits zu dieser frühen Stunde versammelt hatten. Sie zeigte ihnen das Papier und versprach ihnen eine Belohnung für jedes Blatt wie dieses, das sie ihr bringen würden. Ein paar Sekunden später hatten sich die Jungen mit einem eifrigen Ausdruck auf ihren schmalen Gesichtern in den umliegenden Straßen zerstreut.
Das war alles, was sie im Augenblick tun konnte. Lisette schloss für einen Moment die Augen und ging dann langsam zurück ins Haus.
Gegen Mittag hatte sie sechsunddreißig Schmähschriften, die sie fünf Cent das Stück gekostet hatten, im Küchenherd verbrannt. Darüber hinaus ließ sie ein Festmahl für die sieben Jungen richten, die ihr geholfen hatten. Es wurde auf dem großen Holztisch im Hof serviert und bestand aus Schinkenscheiben, Schüsseln voller schmackhaftem Gumbo, mehreren Brotlaiben, die von den Kindern so mühelos verspeist wurden, als seien es die zartesten Kuchen, und klebrigen Sirupplätzchen. Das Einzige, was sie von den Jungen verlangte, war, dass sie sich vor dem Essen Hände und Gesicht waschen und die Haare kämmen sollten. Sie gehorchten nur widerstre-bend, doch am Ende wusste sie wenigstens, wie sie unter ihrer Dreckkruste aussahen.
Das Ergebnis ihrer Bemühungen war allerdings ein wenig anders, als sie es sich vorgestellt hatte. Als sie kurze Zeit später zufällig über den Hof ging, bemerkte sie, dass die Jungen nicht mehr dort waren. Sie saßen oder lagen unmittelbar außerhalb der Eingangspforte und schliefen fest, ganz erschöpft von der ungewohnt reichhaltigen Mahlzeit.
Lisette spürte einen Kloß im Hals und ein Prickeln hinter den Augen. Was für eine schreckliche Welt war das, wo Kinder wie diese niemanden hatten, dem sie etwas bedeuteten und der sich um sie kümmerte! Da musste dringend etwas geschehen! Sie ging schnell davon, um sich irgendetwas zu suchen, womit sie ihre Hände beschäftigen konnte, während sie nachdachte.
Niemand sprach bei ihr vor an diesem endlos langen Tag, niemand sandte eine Nachricht. Nicht dass sie vorher viele Besucher gehabt hätte, doch ein oder zwei gute Freunde waren immer vorbeigekommen, dazu ein paar entschlossene Mitgiftjäger und natürlich Nicholas Pasquale. Nun schwieg die Türglocke. Das war Beweis genug, dass die Zettel trotz ihrer Bemühungen ihren Zweck erfüllt hatten.
Lisette kam nicht zur Ruhe. Ihre Näharbeit hatte keinen Reiz für sie, das Buch, das sie angefangen hatte, interessierte sie nicht mehr und Entwürfe für die Sommerbepflanzung des Hofes zu machen, erschien ihr öde. Sie erwog wegzulaufen, vielleicht ein Schiff nach Frankreich zu nehmen. Agatha würde mitkommen, da war sie ganz sicher, und sie könnten so für eine Weile den Verleumdungen und Intrigen ihres Schwiegervaters entgehen. Doch bevor sie den Plan ganz zu Ende gedacht hatte, verwart sie ihn schon wieder. Frankreich würde bald von Kreolen aus New Orleans nur so wimmeln, Familien, die den sommerlichen Fieberepidemien entgehen wollten, Paare auf der Hochzeitsreise oder junge Männer, die auf ihrer Kavalierstour entfernte Verwandte besuchten. Es gab kein Entkommen. Und auf keinen Fall würde sie sich davonstehlen, als habe sie etwas verbrochen, was nun ganz und gar nicht der Fall war.
Sie rechnete eigentlich damit, dass Caid sie noch vor dem Dunkelwerden besuchte. Zwischen ihnen hing immer noch alles in der Luft und diese neuen Schwierigkeiten machten es umso notwendiger, dass sie miteinander redeten. Sicher wusste er bereits,
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