Gefesselt in Seide: Roman (German Edition)
und glücklich verheiratet und durchaus zufrieden damit, die Arbeit ein paar Jahre ruhen zu lassen, um sich ganz der Familie zu widmen. Harrold, ihr Mann, wich kaum einen Moment von ihrer Seite, und immer lag sein Arm um ihre Schultern, liebevoll und schützend, wie es schien. Niemand wäre auf die Idee gekommen, daß er seine Frau zu Hause mißhandelte.
Im Verlauf ihres Berichts erzählte Mrs. English ausführlich von ihrer Kindheit und Jugend. Sie war die außereheliche Tochter eines Soldaten und einer Sekretärin, deren aus Irland eingewanderte Eltern in einem Arbeiterviertel in Chicago lebten. Den größten Teil ihrer Kindheit kümmerten sich fremde Leute um sie, während ihre Mutter arbeitete, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Mutter und Tochter wohnten in einem kleinen Bungalow in einem Vorort namens New Athens, etwas mehr als dreißig Kilometer von Chicago entfernt. Mrs. English scheint zu ihrer Mutter eine enge Beziehung gehabt und sie sehr geachtet zu haben. »Meine Mutter hat oft zu mir gesagt, daß jedem Menschen gewisse Dinge zustoßen, und daß man lernen sollte, diese Dinge zu akzeptieren«, sagte Mrs. English, »aber ich habe auch schon sehr früh begriffen, daß weder meine Mutter noch ich glücklich werden würden, wenn ich nicht das täte, was ich tun mußte. Wenn ich mir nicht vom Leben nähme, was ihr verwehrt worden war – Mann und Kinder, eine intakte Familie.«
1962 wurde Mrs. English, eine begabte Schülerin, an der Universität von Chicago angenommen. Sie studierte Literaturwissenschaft und arbeitete schon bald in der Redaktion der Studentenzeitung mit. Nach Abschluß ihres Studiums schaffte Mrs. English, eine bildschöne junge Frau mit rotem Haar und großen hellbraunen Augen, den Sprung nach New York und wurde im Juni 1967 bei dieser Zeitschrift als Reporterin angestellt. Harrold English lernte sie an ihrem ersten Arbeitstag kennen.
Kollegen und Kolleginnen haben Maureen English als eine Mitarbeiterin in Erinnerung, die äußerst gewissenhaft war und ihr Handwerk schnell erlernte. Obwohl sie allgemein beliebt war, blieb sie eine Einzelgängerin. Mit Ausnahme ihrer Beziehung zu Harrold English, schloß sie bei der Zeitschrift keine festen Freundschaften von Dauer. Dennoch wurde sie beinahe in Rekordzeit befördert und in die Abteilung Inlandsnachrichten versetzt.
»Sie war schnell«, berichtet ein ehemaliger Redakteur, der eng mit ihr zusammengearbeitet hat. »Man brauchte Maureen English nur einen Auftrag zu geben und hatte bis zum Abend garantiert eine Story auf dem Tisch, die Hand und Fuß hatte.«
Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft fühlten sich Maureen und Harrold offenbar auf den ersten Blick zueinander hingezogen. Harrold stammte aus einer wohlhabenden Textil-Dynastie in Rhode Island und hatte in Yale studiert. Er war ein großgewachsener, gutgebauter, dunkeläugiger junger Mann, der dank seinem guten Aussehen und seinem Erfolg als Journalist bei seinen Kolleginnen sehr begehrt war. Bevor er nach New York kam, war er beim Boston Globe gewesen. Er zeichnete sich als Inlandsund Auslandsreporter aus und erhielt 1966 die Page One Award für seine Reportage über die Rassenunruhen in Watts. »Er hat einige großartige Reportagen für uns gemacht«, sagt Jeffrey Kaplan, zeitweise Chefredakteur des Magazins. »Er war ein hervorragender Reporter und sehr aggressiv. Sein Schreibstil war sauber und geradlinig. Er war ein hochintelligenter Mann.«
Die beiden kamen einander sehr schnell näher und galten als das »ideale Paar«, zwei junge aufstrebende Journalisten, heftig ineinander verliebt. Maureen zufolge hat Harrold ihr Geschenke gemacht, ihr bei Reportagen hilfreiche Tips gegeben und sie beträchtlich in ihrer Karriere gefördert.
»Ich habe ihn geliebt«, sagte sie. »Auch an dem Tag noch, an dem ich ging.«
Die Leute, die mit den beiden zusammengearbeitet haben, erklären, es hätte niemals auch nur das kleinste Anzeichen von Spannungen zwischen Maureen und Harrold gegeben, die praktisch von Anfang an in Harrolds Wohnung auf der Upper West Side zusammenlebten. »Diese Berichte von Spannungen zwischen Maureen und Harrold sind unglaublich«, sagt Jeffrey Kaplan. »Selbst jetzt noch fällt es mir schwer, das alles zu glauben. Man hört ja ab und zu mal von solchen Geschichten, aber da geht es doch immer um irgendeine arme Seele mit sechs Kindern und einem trunksüchtigen Ehemann. Nie, wirklich niemals, hört man Derartiges von Leuten wie Maureen und Harrold.«
Und
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