Gefesselt in Seide: Roman (German Edition)
untergekommen wäre. Ich bejahte und erzählte, daß ich von Julia Strout ein Haus gemietet hatte. »Ach«, sagte er, »das drüben in Flat Point Bar?« »Ja, ich glaube, das ist es«, sagte ich. »Es steht auf einer kleinen Halbinsel nördlich vom Dorf.«
»Genau«, stellte er befriedigt fest. »Nettes kleines Haus. Da sind Sie gut aufgehoben. Tja, Glück für Julia.«
Die Einkäufe kosteten mich zwanzig Dollar. Mein innerer Motor raste, und ich wollte nur hinaus aus dem Laden. Aber Everett Shedd wollte mich nicht gehen lassen. Ich hatte den Eindruck, er würde mir zu gern ein paar Fragen stellen, meinte aber, höflichkeitshalber etwas Konversation machen zu müssen, ehe er sie stellte. Ich wollte ihn auf keinen Fall zu diesen Fragen kommen lassen und sah ungeduldig zu, wie er gemächlich meine Einkäufe in den Papiertüten verstaute. Ich vermutete, sein Laden sei so etwas wie die Nachrichtenbörse des Dorfs und man erwarte von ihm einen Bericht über die neue Frau am Ort, die abends eine dunkle Brille trug und ihr Gesicht mit einem Schal verhüllte. Aber möglicherweise wußte er auch schon einiges über mich. Hatte Muriel Julia angerufen und diese ihrerseits Everett Shedd? Ich glaubte es nicht. Ich wußte selbst nicht warum, aber ich vertraute Julia Strout, ich konnte mir nicht vorstellen, daß sie eine Klatschbase war. Vielmehr hielt ich sie für eine Frau, die nicht so leicht etwas von sich oder anderen preisgab.
Everett Shedd schien nicht zufrieden mit der Anordnung der Sachen in den Tüten. Er begann, einen Teil der Sachen wieder herauszunehmen und neu einzuschichten. Ich holte zweimal tief Luft, um mir einen lauten Seufzer der Ungeduld zu verkneifen. Mit betulicher Genauigkeit zählte er mir das Wechselgeld auf den Tresen. Ich dachte an Julia, die mit Caroline im Wagen saß. Ich wollte niemandem etwas schuldig sein. Ehe Shedd mit dem Umpacken fertig war, schnappte ich mir eine der Tüten und sagte schnell: »Ich bring die schon mal raus zum Wagen.«
Ich stellte die Tüte in den Kofferraum, fuhr hinüber auf die andere Seite des Parks und setzte Julia vor ihrem Haus ab. Im Dorf war jetzt Leben – eine Gruppe Schulkinder lieferte sich rund um ein Kriegerdenkmal eine Schneeballschlacht, eine alte Frau war in der Einfahrt von Julia Strouts Nachbarhaus beim Schneeschippen. Dick eingepackt in mehrere Schichten warme wollene Kleidung bewegte sie sich tief über ihre Schaufel gebeugt im Schneckentempo vorwärts. Unten bei der Genossenschaft auf dem Kai standen mehrere verdreckte, von Rost angefressene Lieferwagen.
Julia stieg aus dem Wagen und versprach mir noch einmal, daß später jemand vorbeikommen würde, um die Straße zum Cottage zu räumen. Ich wollte lieber nicht daran denken, daß Julia mein Gesicht gesehen und meine Lüge nicht geglaubt hatte, deshalb fuhr ich vielleicht ein wenig schneller vom Bordstein weg als nötig gewesen wäre. Erst gegen Ende der Rückfahrt zum Haus, allein im Wagen mit Caroline, die immer noch schlief, begannen sich die Verkrampfungen in meinem Nacken allmählich zu entspannen.
Zurück beim Haus hob ich die Tragetasche mit Caroline aus dem Wagen und trug das ganze Bündel ins Haus. Vorsichtig, um das Kind nicht zu wecken, stellte ich die Tasche auf den Teppich im Wohnzimmer. Solange die Kleine schlief, blieb mir Zeit, die Einkäufe hereinzuholen und einzuräumen.
Diese Arbeit tat mir gut, sie erschien mir in gleicher Weise sinnvoll wie die Sorge für Caroline. Die verderblichen Sachen stellte ich in den Kühlschrank, Kartons und Dosen in die Schränke. Ich sah mir das Geschirr und das Besteck an. Das Geschirr war aus weißem Kunststoff und hatte ein blaues Kornblumenmuster, wahrscheinlich war es im Sonderangebot eines Supermarkts gewesen, so sah es jedenfalls aus. In einem der Unterschränke fand ich Töpfe und Pfannen und mehrere große Schüsseln.
Als ich alles eingeräumt hatte, machte ich einen Inspektionsgang durch das Haus und besichtigte alles, als sähe ich es zum erstenmal. Das ist jetzt mein Haus, dachte ich, meines und Carolines, und niemand kann mir vorschreiben, wie ich mein Leben hier zu führen habe, was ich zu tun und zu lassen habe.
Ich ging um die Ecke ins Wohnzimmer. Die Einrichtung war karg, nicht gerade ansprechend: ein unförmiges Sofa mit einem zerschlissenen, verblaßten Chintzbezug, ein hölzerner Schaukelstuhl mit einer Sitzfläche aus Rohrgeflecht, das sich zu lösen begann, ein Beistelltisch aus Ahornholz, der mich an das Haus meiner Mutter
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