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Gefesselt in Seide: Roman (German Edition)

Gefesselt in Seide: Roman (German Edition)

Titel: Gefesselt in Seide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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unterwegs. Manchmal sagte er, er sollte eigentlich nicht fahren, er sollte doch da sein, wenn das Kind kam. Ich wußte, daß ich ohne ihn sicherer war, und sagte deshalb: »Es wird schon gutgehen, ich habe ja Freunde, die mir helfen können.«
    Ich ging zu einer Psychiaterin und erzählte ihr, was los war. Aber nur in vorsichtigen Andeutungen. Sie sagte: »Sie haben Sehnsüchte.«
    Ich sah sie an.
    Das war alles?
    Sie sagte nichts. Sie wartete darauf, daß ich etwas sagen würde.
    Ich stellte eine Frage: »Ist es unrecht, Sehnsüchte zu haben?«
    Die Wehen setzten in der Nacht ein. Es war Juni, eine schwüle Nacht, mild und von Düften durchzogen, und ich hatte alle Fenster offen, um Luft hereinzulassen. Harrold war weit weg, in London auf einer Reportage. Ich holte meine Uhr, maß die Abstände zwischen den Wehen und wartete bis zum Morgen, bevor ich die Nachbarin anrief, die nebenan wohnte. Sie kam sofort, rief ein Taxi an und fuhr mit mir in die Klinik. Ich kannte sie nur flüchtig, eigentlich nur vom Sehen, aber ich hatte sie eigens für diesen Tag auserkoren. Im Taxi hielt sie mir die Hand, diese Frau, die ich kaum kannte, und rief dem Fahrer zu, er solle vorsichtig sein.
    »Alles in Ordnung?« fragte sie mich, und ich dachte, sie meinte das Kind, und nickte.
    Aber dann sagte sie: »Ich habe manchmal gedacht …« Ich sah sie an.
    Sie brach ab und schüttelte den Kopf.
    In der Klinik verabschiedete sie sich. Ich versprach ihr, sie anzurufen. Sie sagte: »Was ist mit Ihrem Mann?« »Er ist schon unterwegs«, antwortete ich.
    Im Abteil neben mir lag eine Frau – aber das habe ich Ihnen schon erzählt.
    Die Wehen dauerten nicht allzu lange. Zwölf oder dreizehn Stunden. Man sagte mir, das sei normal. Als meine Tochter kam, legten sie sie mir auf die Brust, und sie sah zu mir auf.
    Nach meiner Rückkehr aus der Klinik wirkte Harrold zunächst völlig verändert, und ich schöpfte neue Hoffnung. Er war ruhiger, er trank nicht. Er kam früh aus der Redaktion nach Hause. Er trug das Kind herum und gab ihm die Flasche. Manchmal saß er auch nur da und betrachtete es. Wenn die Kleine nachts erwachte, ging er mit ihr auf und ab, bis sie wieder eingeschlafen war. Ich vermute, er sah sie als sein Eigentum. Manchmal sprach er das auch aus – sagte meine Tochter – aber damals verstand ich das anders, sah es als ein Zeichen seiner Liebe und seines Stolzes.
    Meine Mutter besuchte uns und sagte, was für ein Glück es für mich sei, Caroline und Harrold zu haben, und ich dachte: Ja, so empfinde ich es auch, ich habe jetzt eine Familie, und es wird alles gut werden. Die Vergangenheit ist vorbei, daran brauche ich jetzt nicht mehr zu denken.
    Caroline war sechs oder sieben Wochen alt. Es war August, sehr heiß und schwül. Harrold war seit drei Tagen zu Hause. Er hatte Urlaub, aber wir waren nicht weggefahren. Wir fanden, es wäre zu früh, mit dem Kind zu reisen. Im Fenster war ein Ventilator, der sich langsam drehte, das weiß ich noch, und er hatte sich mitten am Nachmittag einen Drink gemacht, in einem hohen Glas mit viel Eis, und dann noch einen. Na ja, er hat schließlich Urlaub, dachte ich. Wenn wir uns irgendwo auf dem Land ein Haus gemietet hätten, würden wir sicher auch einen Sommercocktail trinken.
    Der Alkohol brachte ihn in Stimmung. Wir waren seit mehreren Monaten nicht mehr zusammen gewesen. »Dürfen wir jetzt wieder?« fragte er, und ich nickte. Ich hatte selbst Verlangen nach ihm. Er wies mit dem Kopf zum Schlafzimmer, und ich ging hinüber. Caroline schlief in einem Stubenwagen, der im Flur stand.
    Wir begannen ganz langsam, und er achtete darauf, mir nicht weh zu tun. Ich war in einer träumerischen, hingebungsvollen Stimmung und dachte: Kinder sind ein neuer Anfang. Wir fangen jetzt noch einmal ganz neu an.
    Und da begann Caroline zu weinen.
    Ich seufzte. »Ich muß nach ihr sehen«, sagte ich und wollte mich aufsetzen. Aber er hielt mich am Arm fest und ließ mich nicht gehen.
    »Laß sie weinen«, sagte er. »Achte nicht auf sie.«
    »Das kann ich nicht«, entgegnete ich. »Das ist nicht in Ordnung.« Aber er hielt mich weiter fest.
    Sie schrie jetzt laut, und ich sagte: »Harrold!«
    Da wurde er plötzlich wütend. »Immer das Baby, Baby, Baby«, sagte er. »Das ist das einzige, was du im Kopf hast.« Und er ließ mich nicht gehen.
    Es war noch schlimmer als sonst. Viel schlimmer. Denn bisher hatte es ja immer nur mich betroffen, und ich konnte es aushalten, wenn es sein mußte. Aber diesmal war das

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