Gefesselte Lust
Schlafzimmer sitzen und so ein Gespräch führen würde, noch dazu halbnackt, hätte ich denjenigen für verrückt erklärt. Aber diese Nacht hat etwas in mir verändert. Ich brauche seine Nähe wie eine Ertrinkende das rettende Ufer. Und ich brauche diese Lust, die er in mir entfacht hat. Mein Orgasmus war nur ein erster Schritt, das spüre ich genau. Ich habe lediglich von dem gekostet, was er an Erfüllung für mich bereithält, und ich will mehr, viel mehr.
»Ich verstehe sehr gut«, sage ich.
Jonah wirkt zufrieden. »Zieh dich an. Ich möchte dir etwas zeigen; etwas sehr Wichtiges.«
Er deutet auf einen seidenen Morgenmantel, der auf der Kommode liegt. Ich soll ich also noch nicht in mein Kleid schlüpfen. Ich atmete tief ein; offensichtlich ist mein Aufenthalt in dieser Wohnung noch nicht beendet. Ich schlüpfe aus dem Bett und streife den Mantel über. Das Material gleitet mit einem Flüstern über meine Haut; ein herrliches Gefühl.
Jonah ist ebenfalls aufgestanden und wartet an der Tür auf mich. Ich folge ihm, und er führt mich durch einen kleinen Flur zu einem Raum, der dem Schlafzimmer gegenüber liegt. Hier ist der gesamte Boden mit weichem Teppich ausgelegt. Es gibt nur einen Schrank im chinesischen Stil und eine Glasvitrine – an der Wand sind Haken eingelassen und an jedem davon hängt, säuberlich aufgerollt, ein Seil. Sie haben unterschiedliche Farben, und einige sehen aus, als wären sie aus verschiedenen Materialien gefertigt. Ich sehe nach oben – dort hängen ebenfalls zwei größere Haken und etwas, das wie eine Seilwinde aussieht. Hier sind keine Seile aufgeknüpft. Ich muss unwillkürlich an die Fotos in Jonahs Büro und der Ausstellung denken. Das sind seine Vorlieben?
Mein Schreck ist mir deutlich anzusehen, das kann ich in Jonahs Augen sehen. Er kommt auf mich zu und streichelt meine Wange. »Keine Angst, es gibt nichts, wovor du dich fürchten musst. Du kannst mir vertrauen.«
Vielleicht liegt es an seiner Stimme, vielleicht aber auch einfach an der Tatsache, dass ich noch immer weiche Knie von dem vorangegangenen Orgasmus habe – aber ich vertraue ihm tatsächlich. »Was wolltest du mir zeigen?«, frage ich daher nur im Gegenzug.
Er deutet auf die Vitrine. »Ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber auf sämtlichen Bildern, die an den Wänden der B-Touch-Redaktion hängen, sind keine Gesichter zu sehen. Das hat seinen Grund.« Ich trete näher an die Vitrine heran und bemerke erst jetzt, dass sich darin ähnliche Fotos befinden wie auf Jonahs Schreibtisch. Hier gibt es nur viel mehr – sie sind alle, fein säuberlich, aufgestellt. Und alle zeigen die Gesichter von Frauen in höchster Erregung.
»Du hast diese Fotos geschossen?«, frage ich leise.
»Nein.« Jonah hat die Hände wieder in die Taschen seiner Jeans gesteckt und lässt mich die Fotos begutachten. »Sie wurden alle von einem Profi-Fotografen gemacht. Allerdings habe ich die Arrangements erstellt – und die Frauen vorbereitet.«
Er kommt ebenfalls zur Vitrine und betrachtet die Fotos mit einem Hauch von Wehmut, der mich eifersüchtig werden lässt. Aber dazu habe ich kein Recht. »Ich liebe es, Frauen zu fesseln. Ich will sie nicht quälen oder sadistische Spiele mit ihnen treiben – mir geht es einzig und allein um die Schönheit, die jeder einzelnen Frau innewohnt. Und nichts bringt diese Schönheit so sehr zutage, wie Seile und Ekstase. Wenn sie sich dem völlig hingeben und auf dem Gipfel ihrer Schönheit sind, lasse ich sie fotografieren. Auf diese Weise gehören sie mir. Für immer.«
Ich verstehe. »Also ist jede dieser Frauen eine, mit der du geschlafen hast?«
Er nickt. »Die Vereinbarung mit dem Fotografen besagt, dass er die Fotos in sein Portfolio aufnehmen darf. Doch ihre Gesichter – die gehören mir.«
Vorsichtig strecke ich die Hand aus und berühre die Griffe an der Glastür der Vitrine. Sie sind kühl und glatt unter meinen Fingerspitzen, aber ich bemerke es kaum. Mein Blick liegt auf den Frauen. Jede von ihnen sieht erfüllt aus – Jonah hat recht, es scheint, als würden sie von innen heraus leuchten. Ein zarter Glanz liegt auf ihrer Haut. Fast alle haben die Augen geschlossen, und ihre Lippen schimmern feucht; einige lächeln.
»Daher frage ich dich noch einmal, Helena«, sagt Jonah leise. »Willst du wirklich zu einem Teil meiner Sammlung werden? Du würdest dich mir völlig überantworten; ich werde dich fesseln und dir eine Ekstase schenken, die du niemals wieder erfahren
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