Gefuehlschaos inklusive
auch ein andermal von sich geben. Aber nicht, wenn ich in seinem Büro stehe! Das geht eindeutig zu weit!
Vorschnell lasse ich meine Gefühle sprechen und stampfe eifersüchtig auf seinen Schreibtisch zu und werfe ihm die Papiere entgegen. Die Blätter segeln wie welkes Laub in alle Richtungen und verteilen sich um seinen Schreibtisch herum. Das war ja eine prima Aktion! Es geht mir nicht besser, aber Christian dreht sich in seinem Stuhl herum und schaut mich entsetzt an. Immerhin habe ich schon mal seine volle Aufmerksamkeit erlangt. Wütend beendet er sein Gespräch und knallt das schnurlose Telefon unsanft auf die Schreibtischplatte. So, das wäre auch geschafft. Das Telefonat ist beendet! Doch er sagt nichts und sitzt da wie auf einem Schleudersitz, der jeden Augenblick in die Luft saust. Ich könnte ja was sagen, aber ich bin derartig von mir selbst überrascht und kann kaum glauben, was ich hier gerade getan habe, dass ich kein Wort herausbringe. So irrational habe ich mich noch nie verhalten. Eventuell bin ich an einer Form von Sumpffieber erkrankt, die in den Bergen vorkommt und den Menschen unberechenbar macht. Ja, so muss es sein. Wahrscheinlich bin ich gar nicht Ich, sondern eine ganz andere. Ich bin in den Bergen geblieben und die andere steht nun hier und bringt mein Leben komplett durcheinander. Wie tausche ich die beiden wieder gegeneinander aus? Um dieser unliebsamen Situation zu entkommen, gibt es nur noch eine Lösung: Ich muss hier auf der Stelle verschwinden. Kaum habe ich meinen Entschluss gefasst, renne ich aus dem Zimmer und lande in meinem Büro. Ziemlich außer Atem schließe ich die Tür und lehne mich dagegen. Ich brauche auf der Stelle einen Sandhaufen, in den ich meinen Kopf stecken kann. Wie komme ich jetzt hier raus, ohne Christian noch einmal zu begegnen? Er wird mich für komplett verwirrt eingestuft haben und darüber nachdenken, ein Netz über mich zu werfen, um mich einzufangen. Ich gehöre in die Geschlossene. Das muss ihm auch gerade klar geworden sein.
Eilig packe ich all mein Hab und Gut zusammen und stürme über die Schwelle meiner Bürotür. Doch Christian steht mir im Weg und ich stoße mit ihm zusammen. Die Venusfliegenfalle hat zugeschnappt, er hält mich am Handgelenk fest und ich zapple wie ein Wurm am Angelhaken. Gib mir meine Freiheit zurück! Ich verlange einen Anwalt! Bin ich jetzt überführt?
„Halt!“, ruft er in dem Augenblick, als er mich aufhält. „Erst möchte ich eine Erklärung für dein abstruses Verhalten. Was ist bloß in dich gefahren?“
Ja, das wüsste ich auch gern, nur leider hab ich keine Erklärung dafür. Wie soll ich ihm etwas begreiflich machen, was mir selbst äußerst zweifelhaft vorkommt.
„Lass mich los, ich möchte jetzt gehen“, sage ich stattdessen trotzig.
„Ich denke nicht daran. Du hast in meinem Büro gerade ein Chaos angerichtet und ich möchte jetzt wissen, warum.“
„Es gibt nichts, was ich dir erklären müsste.“
„Oh doch! Und zwar so einiges.“
„Das ist Freiheitsberaubung. Du kannst mich hier nicht festhalten!“
Christian lacht bitter und zieht mich am Arm in sein Büro zurück. Dann verschließt er die Tür, dreht den Schlüssel herum und steckt ihn sich in die Hosentasche. Das ist ja wohl der Gipfel an Unverfrorenheit! Will er jetzt die Nacht mit mir in seinem Büro verbringen? Das kann er haben. Ich werde kein Wort mehr sagen und es mir auf seinem Sofa gemütlich machen. Morgen werden mich meine Kollegen befreien und ich werde ihn wegen Kidnappings verklagen.
„So, jetzt sind wir ganz ungestört. Was hältst du davon, wenn du erst mal mit mir diese Unordnung beseitigst?“
„Ich denke nicht daran!“ Beleidigt schaue ich aus dem Fenster in die Dunkelheit. Es ist kurz nach acht und mein Magen knurrt heftig. Ich habe mir mittags nur einen Müsliriegel gegönnt, weil einfach keine Zeit für eine längere Mahlzeit blieb. Jetzt könnte ich einen Dönerladen überfallen oder mir eine ganze Kuh einverleiben. Hauptsache große Mengen.
„Ganz wie du willst. Wir würden allerdings schneller vorankommen, wenn du etwas einsichtiger wärst.“
Was sollte ich einsehen? Dass du kurze Zeit, nachdem du mit mir geflirtet hast, schon wieder eine Neue an der Angel hast? Dass du offenbar keine Zeit verlierst und dich von einem Abenteuer ins nächste begibst? Ich verachte dich! Jawohl! Gegen dich ist Oliver ein Heiliger! Der hat es wenigstens heimlich gemacht. Du hintergehst mich, während ich in deinem Büro
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