Gefuehlschaos inklusive
stehe. Das ist impertinent!
Christian führt mich an der Hand zum Sofa. Wir setzen uns und endlich sehe ich ihn an.
„So ist es besser“, behauptet er und lächelt versöhnlich. „Jetzt erzähl doch mal ganz in Ruhe, was dich bedrückt.“
Sitze ich jetzt auf der Couch eines Psychiaters oder meines Chefs? Ich muss mal kurz meine Gedanken sortieren. Womöglich beurteile ich meine Lage ja ganz falsch. Es könnte nämlich gut sein, dass ich eine Bewusstseinsspaltung durchlebe und alles, was mir hier widerfährt, gar nicht stattfindet; sich also bloß in meiner Fantasie abspielt. So was soll schon mal vorkommen. Kein Grund zur Sorge. Unter diesen Umständen könnte ich natürlich alles sagen, es wäre ja nicht echt. Niemand hört es, nur ich selbst. Red deinen Frust doch einfach mal von der Seele. Vielleicht hilft’s ja.
„Ich habe ein ganz grauenvolles Wochenende hinter mir. Eigentlich wollte ich mich erholen, abschalten, auf andere Gedanken kommen. Jetzt fällt meine kleine Welt zusammen wie ein Kartenhäuschen. Ich mache alles falsch und niemand meint es ernst mit mir.“ Den letzten Satz bringe ich nur mühevoll hervor, bevor ich zusammensacke wie ein nasser Sack. Christian nimmt mich in den Arm und streichelt mir sanft über den Kopf.
„Du bist ein bisschen durch den Wind. Die Trennung von deinem Freund und jetzt noch die Erkältung. Das ist wohl alles ein bisschen zu viel für dich.“
Ja, und dann noch Olivers und dein Betrug. Drei Männer, die mit meinen Gefühlen spielen. Kein Wunder, dass ich ganz aus dem Häuschen bin.
Selbstbetrügerisch lasse ich außer Acht, dass ich kein Anrecht auf Christian habe und schon gar nicht auf seine Treue. Er kann turteln, mit wem er will. Aber das will ich jetzt nicht mehr wahrhaben.
„Christian, ich …“ Na fein, da habe ich mal wieder einen Satz begonnen, ohne zu wissen, wie ich ihn beenden soll. Oder weiß ich es, bin aber nur ein wenig blockiert, weil ich mir selbst im Weg stehe? Los, aus dem Weg, ich brauche Platz für meinen Satz! „… ich glaube, ich habe einen Fehler gemacht.“
„Aber das macht doch nichts. Mein Gott, ich decke täglich ein Dutzend Fehler der Mitarbeiter auf, die ich wieder ausbügeln muss. Glaubst du, ich reiße dir den Kopf dafür ab?“
Hab ich mich jetzt nicht richtig ausgedrückt oder will er mich nicht verstehen? Seid wann mache ich Fehler im Job? Wenn ich privat auch nur annähernd so geschickt wäre wie bei meiner Arbeit, dann hätte ich keine Probleme. Aber diese türmen sich gerade zu einer gewaltigen Lawine auf und wenn ich nicht aufpasse, dann überrollen sie mich.
„Nein, so meine ich das nicht. Ich hätte dich nicht …“ Das Telefon klingelt. Ein wirklich passender Moment. Ist das Büro verwanzt? Sollte ich bei meinen Ausführungen etwa von einer höheren Macht gestoppt werden?
„Bianca, schön, dass du dich noch mal meldest …“ Die höhere Macht heißt also Bianca. Ich bin ja noch nicht oft zu einer Killerin mutiert. Eigentlich noch nie. Möglicherweise könnte sich das ab jetzt aber ändern. Zu Hause werde ich mir das Telefonbuch schnappen, alle Frauen Namens Bianca auf einer Liste erfassen und diese der Reihe nach abarbeiten. Dass dabei auch unschuldige Biancas ihr Leben lassen müssen, ist zwar bedauerlich, aber darauf kann ich leider keine Rücksicht nehmen. Er hält sein Gespräch kurz. Wahrscheinlich, weil ich noch auf seinem Sofa sitze. Ich würde ja auch gehen, aber die Tür ist verschlossen. Wie dumm, dass du dein Geplänkel jetzt verschieben musst.
„Entschuldige, das war meine …“
„Ist schon gut, du brauchst mir nichts zu erklären. Ich habe schon verstanden.“
Wütend erhebe ich mich von der Couch und beginne, die losen Zettel vom Boden zu sammeln.
„Das freut mich. Aber eigentlich kannst du es gar nicht verstehen, weil du mich nämlich nicht ausreden lässt.“ Er bückt sich und hilft mir bei der Beseitigung der Zettelwirtschaft. „Ich wüsste zu gern, was in dir vorgeht. So habe ich dich noch nie erlebt.“
Ja, ich mich auch nicht. Da sieht man mal, wie man sich in sich selbst täuschen kann. Wer bin ich überhaupt?
„So, bitte sehr!“ Ich drücke ihm meinen Stapel in die Hand. „Kann ich jetzt gehen?“
„Wenn du es so eilig hast, von hier wegzukommen, kann ich dich wohl nicht mehr daran hindern. Aber ich hätte mich gefreut, wenn du mit mir geredet hättest.“
Und ich hätte mich gefreut, wenn Bianca uns nicht gestört hätte. Aber eigentlich kann ich ihr ja dankbar
Weitere Kostenlose Bücher