Gefühltes Herz - sieben homoerotische Geschichten
das denn bitte rüber? Nein, das ging nicht. So ließ ich mich hinab sinken und versteckte mein Gesicht an meinen Knien. Am liebsten wäre ich weggefahren, doch das Zittern, was meinen Körper erfasst hatte, ließ es nicht zu. Mochte sein, dass ich die Kontrolle über meinen Körper verloren hatte, aber sicher nicht über meine Vernunft.
Bastian verharrte neben mir, legte dann meine Mappe neben mich und während ich noch hoffte, er würde sich verdrücken, setzte er sich zu mir. „Leonard, was ist los? Ist irgendwas passiert?
Was habe ich falsch gemacht, um das verdient zu haben?“ Er nahm die Hand von seinem Auge und erschrocken zog ich die Luft ein. Das Auge war angeschwollen und verfärbte sich langsam.
„Oh Mist … Komm, ich bring dich zu einem Arzt oder ins Krankenhaus …!“
Lächelnd runzelte er die Stirn und mein Herz machte einen Satz. Er lächelte mich an, seine braunen Augen funkelten im Sonnenlicht und ich war mir sicher, noch nie schönere gesehen zu haben. „Du machst dir Gedanken um mein Auge, also war es schon mal nicht persönlich gemeint.
An was liegt es dann?“ Abermals erhob er seine Hand in Richtung meines Armes, was meinen Körper zum Verkrampfen brachte. „Weil ich dich berührt habe?“ Beide sahen wir uns überrascht an.
Bastian hatte mich durchschaut. Ehe er weitere Schlüsse ziehen konnte, sprang ich auf, schnappte mir meine Mappe und verschwand. Mit immer noch zittrigen Fingern fischte ich in meiner Hosentasche nach meinem Schlüssel. Gerade so gelang es mir, im Auto zu verschwinden und es zu starten, bevor Bastian am Auto war. Ich musste weg, weit weg und außerhalb der Reichweite von dem Mann, der mein Herz zum Stolpern brachte.
Es wollte mir einfach nicht in den Sinn, woran meine Reaktion auf körperliche Nähe oder Berührungen lag. So saß ich abends am Computer und versuchte, was zu finden. Berührungsangst nannte es ein Online-Therapeut … so ein Schwachsinn; was ich da las, traf nicht auf mich zu. Weder hatte ich mit meinen Eltern oder sonstigen Bezugspersonen Probleme noch eine verkorkste Kindheit, wo ich Nähe nicht erlernt hatte … Doch dann erblickte ich: Angst vor Kontrollverlust, mangelndem Vertrauen, im Falle eines Missbrauchs kann das Leben stark beeinträchtigt werden.
Die Angst vor Berührungen, mit dem Gedanken, dass jeglicher Kontakt zu dem Einen führen könnte, kann Angstzustände mit sich führen. Selbst wenn dem Geist bewusst ist, einen Fehler zu begehen, reagiert der Körper anders, aggressiv und unberechenbar. Eine Therapie kann Abhilfe schaffen. Ein Missbrauch, egal welcher Art, ist nicht zu unterschätzen.
Langzeitschäden sind nicht ausgeschlossen und können das Leben erschweren, las ich und schüttelte den Kopf. Ich war nicht ... Das war kein … War ich missbraucht worden? Auch das gab ich in die Suchmaschine ein: falsch oder böse gebrauchen, warf die Maschine mir entgegen.
Mir wurde schlecht, allein der Gedanke, was das hieß, ließ meinen Magen rebellieren. Ich rannte zur Toilette, doch es gab nichts, was ich der Schüssel vor mir geben konnte.
Das Essen fiel mir schwer und ich flüchtete mich in eine Melancholie der Trauer, die ich bisher auf Bastian geschoben hatte. Er war aber nicht der Grund, das wurde mir jetzt bewusst. Die eine Nacht, die nun zwei Wochen hinter mir lag, hatte mein Leben verändert, mich zu einem anderen Menschen gemacht.
Langsam drang es in die letzten Gehirnwindungen vor und auch in mein Bewusstsein: Leonard Silber war missbraucht worden. Wäre es nicht so traurig und ernst, hätte ich gelacht. Stattdessen sackte ich auf die kühlen Fliesen meines Badezimmers und zitterte. Ich musste schnellstens aus dieser Wohnung raus, schoss es mir durch den Kopf, und ehe ich mich versah, fing ich an, die Kartons zu packen, die ich mir gestern besorgt hatte.
Ich wusste auch zu diesem Zeitpunkt, dass ich es zu verdrängen versuchte, nicht wahrhaben wollte, was passiert war. Die Ausreden in meinem Kopf waren klar und deutlich: Ich hatte es provoziert. Ich war zu unachtsam. Ich wollte gefickt werden und genau das hatte der Typ gemacht. Und doch konnte ich genau so dagegen halten. Ich wollte den Kerl nicht haben. Konnte nicht annehmen, dass mir jeder XY-Typ was ins Glas schmeißen würde, und den Kerl, der mich vögelte, durfte ich mir selbst aussuchen.
Ein Nein, war ein Nein. Trotzdem verdrängte ich alles, egal welche Gedanken aufkeimten, ich erdrückte sie unter der Last des Umzugs. Ich wollte fort aus der Stadt. Nicht
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