Gefühltes Wissen
sie ins Haus gelassen haben.
- Was hämmert denn da so bei dir? Wie geht's Sylvias Katze?
- Was?
Die Katze springt durchs offene Fenster aufs Dach und saust davon. Jetzt erinnern nur noch meine aufgekratzten Unterarme und die Blutspuren vom letzten Kampf im Zimmer an das gestörte Tier.
- Gibt's Probleme mit dem Tier?
- Was? Nein, nicht mehr…
An dieser Stelle bricht die Geschichte leider ab. Aufgeschnappt habe ich sie auf einer Bahnfahrt Anfang des Jahres, wo sie zwischen Hildesheim und Braunschweig ein Mann in einem schlecht sitzenden dunklen Anzug einem anderen Mann, ich vermute, einem Anwalt, erzählt hat. In Braunschweig sind die beiden dann aber leider ausgestiegen. Da ich mir nicht sicher bin, ob ich auch wirklich alles richtig mitgekriegt habe, und auch aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes, habe ich alle Namen geändert und selbst die Rolle des Mannes übernommen. Trotzdem, falls sich jemand in dieser Geschichte wiedererkennt: Ich wüsste schon gern, wie es eigentlich ausgegangen ist.
Ansonsten müsste ich mir diesen Schluss irgendwann selbst ausdenken, was auch nicht so schlimm wäre. Der Möglichkeiten gäbe es ja schließlich einige.
3 Wissen ist überall
Düsseldorf
Zum Beispiel Düsseldorf. Auch so 'ne Stadt.
In Kürze werde ich sicher wieder zu jemandem den Satz sagen, den ich so oder ähnlich früher oder später überall sage. «Nein, ich bin tatsächlich zum ersten Mal hier, aber ich habe schon viel von Ihrer schönen Stadt gehört.» In Berlin gäb's für so einen Satz ja gleich was auf die Fresse, und zu Recht, aber anderswo darf man ziemlich lange ziemlich viel Mist reden, bis es Ärger gibt. Das kommt mir und meinem Naturell sehr entgegen.
Es heißt, in Düsseldorf gäbe es die meisten schönen Frauen in ganz Deutschland. Na toll, da bin ich ja mal gespannt. Außerdem mag das wohl sein, nützt mir aber im Prinzip herzlich wenig, wenn sie mich dann nicht ansprechen. Und sie sprechen mich nie an. Wie viel Zeit hab ich nicht schon damit verbracht, in irgendwelchen Cafés rumzusitzen und mich allein darauf zu konzentrieren, irgendwie interessant auszusehen. Für nischt und wieder nischt. Sie sprechen mich nie an. Blödes Düsseldorf, hör mir doch auf.
Am Bahnhof angekommen, starre ich erst mal Hilfe suchend in die Gegend. Eine schöne junge Frau spricht mich an.
- Kann ich helfen?
Bin gehörig fassungslos verblüfft, gucke vermutlich leider auch so, versuche aber weltmännisch und gelassen zu antworten:
- Was?
- Na, Sie sehen so aus, als wenn Sie sich nicht auskennen, und da dacht ich, frag ich, ob ich helfen kann, is' doch normal.
- Ja. Normal. In Düsseldorf. Da ist das normal. Völlig klar. Ich, äh, ich brauch eine Zeitung, mit Immobilienteil, ich würd gern hierherziehen.
Sie lacht.
- Wissen Sie schon, wo Sie hinmüssen?
Sage ihr die Adresse meines Hotels. Sie freut sich.
- Oh, das liegt auf meinem Weg, da kann ich Sie mitnehmen.
Auf der Fahrt zeigt sie mir ein wenig die Stadt. Ich stammle eloquent:
- Schön. Wunderschöne Stadt. Ganz herrlich wunderschön, auch diese ganzen… diese hier… so… Häuser und so… alles da… wunderschön.
Sie versucht tapfer, das Gespräch in Gang zu halten:
- Und was machen Sie in Düsseldorf?… Ah, das ist ja toll… Da machen Sie sicher auch was über Möllemann?… Nein, ach, das ist ja schade, käme im Moment bestimmt gut an… Ihr Hotel ist direkt in der Altstadt, da haben Sie Glück, da ist rund um die Uhr richtig was los.
Irgendwann setzt sie mich am Rande der Altstadt ab. Noch lange schaue ich sinnierend ihren Rücklichtern nach. Dann spricht mich eine andere schöne junge Frau an und hilft mir, die Taschen zum Hotel zu tragen. Ich liebe diese Stadt.
Der Hotelportier freut sich völlig grundlos, dass ich gut angekommen bin, sagt, dass er vielleicht in die Vorstellung kommt, und fragt, ob ich auch was über Möllemann mache. Als ich verneine, ist er sichtlich enttäuscht. Am Abend erscheint er nicht zur Vorstellung.
Die Einschätzung, in der Altstadt sei rund um die Uhr richtig was los, erweist sich als sehr stimmig. Mein Zimmer ist nach vorne raus.
Dann zum Theater. Der Veranstalter fragt, ob ich auch was zu Möllemann mache. Nach meiner Antwort wird seine Miene sorgenvoll. Nach der Vorstellung Gespräch mit den Zuschauern, sagen, war schön, aber ein Thema habe ihnen doch gefehlt. Ergreife die Flucht.
Im Hotel um drei Uhr vom Lärm entnervt wieder aufgestanden, wieder angezogen und nochmal runter zum Pub vorm
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