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Gefürchtet

Titel: Gefürchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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nüchtern, wenn dei ne ganze Welt zusammenbricht?«
    »Mit einem Kater fühlst du dich auch nicht besser. Und du willst bestimmt nicht zugedröhnt sein, wenn Schwitze-Shaun dir seinen Besuch abstattet.«
    »Ich seh nicht ein, warum.«
    »Sagen wir, als Anzahlung auf deine Wiedergutmachung.«
    Diesmal gelang ihm eine schwache Version des sarkastischen Blackburn-Lächelns, er wühlte in seiner Tasche und ließ mir die Pillen in die Hand rieseln.
    Dafür bekam er von mir das Telefonkabel, das ich aus seiner Küche mitgenommen hatte und das er einigermaßen verwirrt anstarrte. Als ich wegfuhr, sah ich im Spiegel, wie er mit hängendem Kopf zur Haustür trottete. Ich fragte mich, wie lange er durchhalten würde.
     
    Zu Hause schloss ich die Tür hinter mir ab, was ich sonst nie tat. Ich schleppte das Telefon mit zum Sofa und legte mich hin, ohne die Füße vom Boden zu heben. Das Licht des stillen Nachmittags fiel durch die Fenster und warf ei nen blassen Glanz auf den Hartholzboden. Ich fühlte mich erschöpft. Jeder Knochen tat mir weh.
    Nach einer Minute nahm ich den Hörer ab und wählte die Nummer von Sanchez Marks.
    »Jesse musste nach Hause«, sagte die Rezeptionistin, die meine Stimme erkannt hatte.

    Ich sah auf die Uhr. »Um halb vier?«
    »Seine Alarmanlage ist losgegangen.«
    Ich setzte mich kerzengerade auf. »Und er wollte nachschauen, was los ist?«
    »Er hat gesagt, er ruft die Polizei.«
    Ich war schon auf dem Weg zur Tür.
     
    Jesse würde nicht auf die Polizei warten, weil er nie auf irgendwas wartete. Ich schlängelte mich durch den Verkehr auf dem Highway 101. Da mich die Schlinge behinderte, band ich sie auf und warf sie zur Seite. Dann versuchte ich es erneut mit der Kurzwahltaste meines Handys. Keine Antwort. Was dachte sich der Mann eigentlich?
    An der San Ysidro Road verließ ich den Highway und fuhr in Richtung Strand, wobei ich mir kaum die Zeit nahm, am Bahnübergang abzubremsen und nach Zügen Ausschau zu halten. Weiter ging es über die einsame Straße, an der die Häuser weit auseinanderstanden. Einbrecher konnten sich hier in aller Ruhe betätigen.
    Nur dass Jesses Besucher mit Sicherheit keine gewöhnlichen Einbrecher waren.
    Ich bog in die Zufahrtsstraße zu Jesses Haus. Die Monterey-Kiefern flogen an mir vorüber. Als ich um die Kurve schleuderte, sah ich vor dem Mustang ein fremdes Auto parken. Die Seitentür zur Garage klaffte auf. Das Schloss war aus dem Holz gesplittert, und das Fenster hatte einen Sprung. Drinnen lag alles wild durcheinander. Von Polizei keine Spur.
    Ich bremste mit quietschenden Reifen und sprang aus dem Wagen. Meine Hand flächen waren feucht. Kei ne Musik, keine Stimmen, nur das allgegenwärtige Tosen der Brandung
erfüllte die Luft. An der Haustür schirmte ich die Augen mit den Händen ab und spähte durch die schmalen Glasscheiben neben der Tür. Drinnen war alles still. Kein Mensch in Sicht.
    Ins Haus wagte ich mich nicht. Drinnen saß ich in der Falle, konnte nicht weglaufen, nicht ins Auto springen. Wenn nun Murphy Ming hier war? Allein bei dem Gedanken brach mir der kalte Schweiß aus. Mein Herz raste.
    Doch falls Murphy tatsächlich hier war, hatte er Jesse in seiner Gewalt. Was sollte ich tun? Mich im Auto verstecken und warten, ob die Polizei rechtzeitig erschien, um ihn zu stoppen? Ich holte tief Luft, zählte bis drei und raste um das Haus herum.
    Und blieb wie angewurzelt stehen
    Jesse hockte im Schneidersitz auf der Kante des Sonnendecks. Er hatte die Ärmel hochgekrempelt, und die Krawatte gelockert. Ganz in der Nähe lag sein Surfbrett im Sand, das die Garage seit Jahren nicht mehr verlassen hatte. Auf dem Brett saß Ricky. Er war in sich zusammengesunken, und der Wind riss an sei ner blonden Mähne. Unaufhaltsam sprudelten die Worte aus ihm heraus.
    »Einen Augenblick lang geriet sie fast in Panik, und ich dachte schon, sie würde alles zugeben. Aber dann war sie gleich wieder ultracool und tat so, als wäre die Sache nicht der Rede wert. Fing doch tatsächlich an, Tee zu kochen. Also hab ich sie unter Druck gesetzt - und da ist sie auf mich losgegangen.«
    Jesse warf mir einen Blick zu, dem ich entnahm, dass ich Ricky einfach reden lassen sollte. Ich ließ mich neben ihm nieder. Sein Gesicht war müde; vermutlich hatte Ricky ihm davon erzählt, dass PJ den Anwalt gespielt hatte.

    Ricky starrte auf eine Muschelschale in seiner Hand. Er hatte sich aus dem Catsuit geschält und trug Jeans. Seine Augen waren rot gerändert, und sein Gesicht

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