Gefürchtet
für die Reise nach Barbados. Die Zigarette baumelte schlaff zwischen seinen Fingern, der Aschekegel wurde immer länger.
»Da steht Kathleen Delaney.«
»Glaubst du wirklich, ich habe mir einen Trip in die Tropen mit Schwitze-Shaun gegönnt? Unter Sinsas Sachen finden sich mit Sicherheit ein Designerkleid und ein Pass auf den Namen K. E. Delaney. Schau nach.«
»Das brauche ich nicht.« Die Asche rieselte auf den Boden. »Sie hat gesagt, sie war bei einer Freundin im Süden.« Er sah PJ an. »Devi Goldman. Kennst du sie?«
PJ nickte. Er reagierte wie in Zeitlupe. Das Val ium hatte den Schock offenbar mehr als gründlich gemildert. Wie viele Pillen er wohl schon eingeworfen hatte, bevor ich ihm die Tüte wegnahm?
»Und alles nur wegen Shaun«, sagte Ricky. »Dieser verfluchte Schwitze-Shaun. Hätte ich bloß im Fernsehen meinen Mund gehalten.«
»Dann wäre der Spruch irgendeinem Journalisten eingefallen«, sagte ich.
»Aber jetzt denkt er, ich hätte ihm die Karriere versaut, selbst wenn er es nicht offen zeigt. Er denkt, ohne meine blöde Bemerkung wäre er inzwischen ein großer Star. Und Sin spielt mit.« Er sog an seiner Zigarette. »Sie wollte, dass ich ein Album für ihn produziere, aber darauf hab ich mich nicht eingelassen. Und jetzt will sie mir eine reinwürgen. Wegen Shaun.« Er musterte PJ. »Ich bin sehr enttäuscht von dir.«
PJ kauerte sich auf seinem Fenstersitz zusammen.
»Raus hier, Peej. Ich will dich nie wieder sehen.«
PJ lief dunkelrot an. Er wich Rickys Blick aus und schluckte. »Kann ich wenigstens sagen …«
»Nein. Raus.«
Einen Augenblick starrte PJ Ricky an. Dann rappelte er sich auf und hastete aus dem Zimmer.
Ricky drückte die Zigarette in einem Aschenbecher aus. »Ich komme mir vor wie ein Idiot.« Er warf einen Blick auf die Quittung für die Barbados-Tickets. »Wie soll ich das Karen beibringen?«
»Ich würde den Stier bei den Hörnern packen.«
»Wenn ich es falsch anfange, denkt sie, ich will Sin hinhängen.« Seine Lider senkten sich, und er wirkte plötzlich uralt. »Du hast keine Kinder, oder?« Er steckte sich eine neue Kippe an. »Sin ist nicht meine leibliche Tochter.«
»Ich weiß.«
»Baz Herrera war ihr Vater. Bei sei nem Tod war sie neun. Ich habe sie adoptiert, aber sie ist nie wirklich mein Kind geworden, wenn du verstehst, was ich meine.«
Ich verstand sehr gut. Leider. Ich nickte.
Er warf erneut einen Blick auf den Reiseplan für den Barbados-Trip und stutzte. »Was sind das für Daten?«
Es gab zwei Buchungsnummern, eine für K. E. Delaney, eine für S. Kutner. Jetzt erst merkte ich, dass die beiden zwar zusammen hingeflogen, aber getrennt zurückgekommen waren: Sinsa an einem Sonntag, Shaun drei Tage später an einem Mittwoch. Barbados - Miami - Los Angeles - Santa Barbara.
Mittwoch.
»Das kann nicht stimmen«, sagte Ricky. »Wir haben ihn erst am Samstagvormittag abgeholt.«
»Ich erinnere mich.«
Am Samstagvormittag hatten sich Shaun und Sinsa im BMW-Geländewagen vergnügt. Das war der Tag nach Brittanys Tod. Aber nach den Aufzeichnungen der Fluggesellschaft war Shaun mehrere Tage davor zurückgeflogen.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Ricky.
»Ich bin mir noch nicht sicher.« Aber in mir keimte ein böser Verdacht. Shaun war gar nicht außer Landes gewesen, als Brittany Gaines ums Leben kam.
Er drückte die Zigarette aus. »Am besten gehe ich es direkt an. Vielleicht kann ich meine Tochter überreden, mit der Wahrheit herauszurücken. Es wäre für alle das Beste, wenn sie und ich gemeinsam mit Karen sprechen.«
Ich stand auf. »Wo ist sie?«
»Einkaufen, aber sie muss bald wieder da sein.« Er hob den Kopf. Sein Blick war trau rig, aber merkwürdig hoffnungsvoll. »Kannst du mir einen Tag geben und die Polizei erst morgen informieren?«
»Erst sage ich es Jesse, danach gehe ich zur Polizei. Keine Ahnung, wie lang das dauern wird.«
»Ein paar Stunden auf jeden Fall, oder?«
»Kann schon sein.«
Ich ließ mich darauf ein, weil er versuchte, das Richtige zu tun. Gute Absicht, schwerer Fehler.
PJ saß nicht in meinem Auto. Die Haushälterin sagte, sie hätte ihn um das Haus herum zu Sinsas Apartment über der Garage gehen sehen. Ich stieg die Außentreppe hoch, klopfte und trat ein, ohne auf Antwort zu warten.
»Lass mich in Ruhe«, sagte PJ.
Ich lehnte mich an den Türrahmen. Allein sein Anblick ging mir allmählich auf die Nerven.
Das Apartment war mi nimalistisch-modern angelegt, ein Loft mit großen
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