Gefürchtet
Mundwinkel und setzte an, etwas zu sagen.
»Lass mich ausreden. Du wurdest schwer verletzt, dein ganzes Leben wurde auf den Kopf gestellt. Deine Schuldgefühle hindern dich daran, das zu akzeptieren.«
»Akzeptieren? Was soll das heißen? Ich bin jeden Tag damit konfrontiert. Das heißt noch lange nicht, dass es mein Leben zerstört hat.«
»Ich weiß. Trotzdem hast du ei nen furchtbaren Schlag erlitten. Es ist dein gutes Recht zu trauern. Aber du fühlst dich deswegen so schuldig, dass du noch deprimierter wirst. Es ist ein Teufelskreis.«
»Wow.«
»Sei mir nicht böse«, sagte ich.
»Im Gegenteil. Ich wundere mich nur. Du redest mit mir sonst nie über mei ne Behinderung. Endlich packst du den Stier bei den Hörnern. Ich warte seit Jahren darauf, dass du das Thema ansprichst.«
Er küsste meine Hüfte, und sei ne Hand glitt über mei nen Bauch.
»Ich dachte, du musst wieder in die Arbeit«, sagte ich.
»Muss ich auch.«
Ich rollte mich auf ihn. »Wann?«
»Jetzt.« Sei ne Hände wühlten sich in mein Haar. Er küsste mich.
Er zeigte vollen Einsatz, aber Arbeit konnte man das nicht nennen. Ganz im Gegenteil.
Ricky schaltete den Fernseher aus. Jetzt hatte er doch tatsächlich den ganzen Eisbecher verputzt. Kein Wunder, dass ihm nicht gut war. Er knöpfte seine Jeans auf. Um die Kalorien wieder abzuarbeiten, war ein ausführlicher Saunagang
angesagt. Das Desaster mit dem Bodysuit würde ihm eine Lehre sein. Enge Kleidung konnte gefährlich werden.
Er stellte die Sau na im Fitnessraum auf höchste Stufe und schloss die Tür. Die Hitze warf ihn fast um, aber das war bestimmt gesund. Wenn Sin zurückkehrte, musste er fit sein. Vielleicht kam es endlich zum entscheidenden Gespräch. Der würzige Geruch von heißem Zedernholz stieg ihm in die Nase. Er goss drei Schöpfer mit Wasser über die rot glühenden Steine auf dem Sau naofen. Der aufsteigende Dampf ließ die Temperatur in die Höhe schießen. Er setzte sich, um die überflüssigen Kalorien auszuschwitzen.
Nur dass er nicht schwitzte. Sein Körper war glühend heiß, aber knochentrocken. Er goss noch einmal drei Schöpfer auf die Steine. Die Luft wurde schwer und brannte in sei nen Lungen. Obwohl er sich allmählich fühlte wie ein Grillhähnchen, war seine Haut immer noch trocken. Sein Herz raste, als hätte er Aufputschmittel intus. Was war bloß los?
Er rieb sich die Brust und bemerkte plötzlich, dass sich die Wände grün und gelb verfärbten wie bei einem Feuerwerk, sie wurden lila und wieder smaragdgrün. Irgendwas war faul.
Direkt vor der Tür hörte er ein Scharren, ein metallisches Kratzen auf dem Holz. Die Türklinke zitterte.
Er stand auf, aber seine Koordination ließ ihn im Stich. Sein Herz flatterte wie ein Kolibri. Er griff nach der Klinke. Sie war blockiert und ließ sich auch durch heftiges Rütteln nicht bewegen.
Schließlich spähte er durch das Fenster in der Tür. Was war da draußen los?
Shauns Gesicht erschien hinter der Scheibe.
Ricky schrie auf.
Shaun starrte ihn drohend an. »Die Raben sind hier.«
Ricky taumelte rückwärts, schrie immer weiter. Das Meer der Farben schlug über ihm zusammen.
»Du sollst sterben!« Shaun schlug mit der Stirn gegen die Scheibe. »Stirb!«
Ricky stolperte über den Wasserkübel und stürzte rücklings zu Boden, wobei er sich den Kopf an der Sitz bank aufschlug. Sein Herz raste wie wild. Die Hitze brachte ihn um.
Dann hörte er erneut das scharrende Geräusch. Die Klinke schepperte. Eine zweite Stimme. Seine Tochter!
»Hör auf, Shaun. Lass das.«
Sie war da. Durch Dampf und wilde Farben sah er undeutlich, wie Sin den Arm um Shauns Hals schlang. Die beiden rangen mitei nander. Er hatte ja immer gewusst, dass er auf sein Mädchen zählen konnte. Als er versuchte auf zustehen, gaben die Bei ne unter ihm nach. Aber er musste es schaffen, musste Sin hel fen, bevor Shaun sie überwältigen konnte. An die Bank geklammert, startete er ei nen neuen Versuch.
Erneutes Scharren, dann öffnete sich die Tür. Shaun erschien mit der Querstange für die Hantelscheiben in der Hand. Damit also hatte er die Tür blockiert. Sin zerrte an seinem Gürtel, wollte ihn zu rückhalten, boxte ihn in die Nieren und schrie aus Leibeskräften.
Ricky rappelte sich hoch und ballte die Hand zur Faust.
»Shaun, tu’s nicht«, flehte Sin. »Fass ihn nicht an! Du darfst keine DNA-Spuren hinterlassen!«
Die Farben schwappten über Ricky hinweg. Mit einem Schlag hörte das Rasen in sei ner Brust auf. Sei ne
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