Gefürchtet
Lippen. »Auf welchen Bereich konzentrieren wir uns?«
»Zur Geldübergabe müssen sie an Land. Also hat Price entweder ein Beiboot, mit dem er an irgendeinem Strand an Land gehen kann, oder er muss mit der Jacht anlegen.«
Ich beugte mich über den Tisch. »Als ich an Bord war, habe ich kein Beiboot bemerkt.«
Jesse stocherte mit dem Finger auf der Karte herum. »Ich tippe auf die Piers der Ölfirmen. Hier und hier … Vielleicht fünf oder sechs Stellen, die infrage kommen.«
Ich rieb mir den Nacken. »Leider sind die überall zwischen Ventura County und Point Arguello verteilt.«
Marc warf einen Blick auf das blau beleuchtete Zifferblatt seiner Taucheruhr. »Zwanzig Uhr dreißig. Können wir in eineinhalb Stunden sämtliche Punkte abfahren?«
»Ausgeschlossen«, sagte Jesse.
»Dann müssen wir den Suchradius einschränken«, stellte ich fest.
Ich trat zur Fensterwand. Die Brandung schlug krachend auf den Strand. Im Süden braute sich ein Sturm zusammen, dessen Ausläufer im Mondlicht weiße Gischtfetzen über die Wellen jagten.
»Ich wette, Sinsa und Shaun wissen, wo die Jacht ist«, meinte ich. »Sonst hätten sie Price nicht so einfach kontaktieren können, um ihn PJ und Devi auf den Hals zu hetzen.«
»Also lassen wir uns von ihnen den Weg zeigen«, sagte Jesse.
»Wie soll das funktionieren?«, fragte Marc.
Ich beobachtete den tosenden schwarzen Ozean und dachte an seine unergründlichen Tiefen und Strudel.
»Mit List und Tücke. Wir hetzen sie gegeneinander auf.« Ich wirbelte zu den beiden herum. »Ich habe eine Idee.«
Ted Gaines, Brittanys Vater, gab mir Shauns Handynummer. Ich sagte ihm nicht, wofür ich sie brauchte. Während ich mit Gaines telefonierte, holte Jesse die Glock. Da Lieutenant Rome uns Brians Pistole nicht hatte aushändigen wollen, war sie unsere einzige Waffe. Jesse prüfte das Magazin, entfernte die Patrone aus der Kammer und legte die Pistole neben einen zweiten Munitionsclip auf den Tisch. Dann streifte er seinen Pullover ab und griff nach PJs Hemd und Jacke, die ihm um die Schultern herum ein wenig zu eng waren. Ich legte auf und warf ihm einen fragenden Blick zu.
»Du weißt doch, dass Lily Rodriguez an dei ner Stelle zur Geldübergabe erscheinen will?«, erkundigte er sich.
»Das hatte ich mir schon fast gedacht«, erwiderte ich.
»Aber das hilft PJ gar nichts. Wenn sich ei ner verkleidet, dann ich.«
Er streckte mir eine Küchenschere hin. »Schneid mir die Haare.«
Ich griff zu. »Sitz still.«
Es dauerte ganze fünf Minuten. Jesse griff nach seinem Kopf.
»Schau nicht in den Spiegel«, warnte ich. »Aber im Dunkeln und aus der Ferne merkt kei ner den Unterschied, vor allem, wenn du PJs Kleidung trägst.«
Marc rollte die Karte zusammen. »Seid mir nicht böse, aber der Rollstuhl fällt überall auf.«
Jesse drehte sich um. »Ist mir klar. Aber die meisten Leute nehmen ausschließlich den Rollstuhl wahr. Wenn ich nicht darin sitze, erkennen sie mich nicht.«
Solange er nicht das Gleichgewicht verlor.
Er nickte mir zu. »Okay. Du bist dran.«
Mit angehaltenem Atem wählte ich Shauns Nummer. Er nahm sofort ab. Ich holte tief Luft.
»Pick die Spiegelscherben aus deinem Kopf und hör mir zu«, sagte ich.
»Delaney«, erwiderte er nach einer Pause.
»Wenn du Leuten den Mund zuklebst, können sie dir keine Informationen liefern.«
»Was soll das schon wieder heißen?«
»Ich habe ein Angebot für dich.«
Erneute Pause. »Soll das ein Witz sein?«
»Ein Witz auf unsere Kosten. Sinsa benützt dich genau wie mich. Es wird Zeit, den Spieß umzudrehen.«
Er atmete in den Hörer. »Was willst du damit sagen?«
»Sinsa will, dass du mich überfällst, wenn ich am Museum für Naturgeschichte aus dem Bus steige, stimmt’s?«
Schweigen am anderen Ende. Im Hintergrund hörte ich Verkehrsrauschen.
»Aber ich werde nicht da sein. Ich habe es nicht nötig, Geld unter einem Bussitz zu verstecken. Weil ich nämlich schon geliefert habe.«
Jesse und Marc beobachteten mich angespannt.
»Ich habe vor einer Stunde fünfzigtausend Dollar an Toby Price bezahlt«, behauptete ich.
»Du hast Toby Geld gegeben?«
»Die gesamte Summe.«
Er schwieg wieder. Ich zwang mich zu einem höhnischen Lachen.
»Lass mich raten: Sinsa hat behauptet, das Geld existiert gar nicht.«
»Allerdings.«
»Irrtum, du Vollidiot.«
»Und wo war es bitte?«
»In einem Safe in der Kanzlei Sanchez Marks, wo ich es heute Abend geholt habe.«
»Du lügst.«
»Devi Goldman ist
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