Gefürchtet
das Kleid eigentlich gar nicht aus. Die Marinarasauce hatte sich mit Pellegrino entfernen lassen, und der mintgrüne Stoff passte gar nicht schlecht zu dem Fleck kalt gepressten extra nativen Olivenöls aus dem Müllcontainer. Abgefüllt in der Toskana. Vermutlich von ei nem Bauern, der sei ne Abstammung bis zu Virgil zurückverfolgen konnte. Ich hatte schließlich auch meinen Stolz. Mit den Snobs im Country Clubs konnte ich also locker mithalten.
Ich stellte fest, dass ich mit dem Eyelinerpinsel mein Spiegelbild bedrohte und rief mich zur Ord nung. Legen Sie die Wafe weg. Gut so. Beide Hände auf das Waschbecken, wo wir sie sehen können.
Ich kühlte mir das Gesicht. Jesses Verwandte waren keine Schakale, die nach den Waden schnappten. Das war die Spezialität von Toby Price und den Mings.
Nein, Jesses Familie würde mir direkt an die Kehle gehen.
Jesse hatten sie schon fast am Boden. Wenn er trank, dann
nicht zum Vergnügen, sondern weil er vergessen wollte. Eine Linie entlanggehen. Infantile Idioten. Einer lustiger als der andere. Am liebsten hätte ich sie alle im Gänsemarsch eine Linie entlanggehen lassen und ihnen dabei meinen Absatz auf den Schädel gedroschen. Was, das tut weh? Na ja, der Absatz ist auch ziemlich spitz.
Ich drehte das Wasser voll auf, ließ es über meine Hände laufen und spritzte es mir ins Gesicht.
Als meine Wache an die Tür klopfte, hatte ich immerhin Wimperntusche und Lippenstift gemeistert.
»Fast fertig!«, rief ich, rammte meinen Fuß in den einen Schuh und rückte die Ohrringe zurecht. »Ich komme, Bri.« Ich drehte den Türknopf und begab mich hüpfend auf die Suche nach dem anderen Schuh. »Kannst du den Reißverschluss übernehmen?«
»Das werde ich schon schaffen.«
Marc. Verlegen fuhr ich herum.
»Tut mir leid. Ich dachte …«
»Kein Problem.«
Da er zu dem adretten marineblauen Sakko nicht nur Krawatte, sondern auch seine Pilotenbrille trug, konnte ich seinen Ausdruck nicht deuten. Außerdem fehlten nur noch zwei Zentimeter. Ich rührte mich nicht und spürte, wie sei ne Finger den Schieber fassten.
»Nach oben?«
Wieso war es in dem Zimmer so warm? »Sind auf mei nem Rücken keine Pfeile eingezeichnet?«
Er zog den Schieber nach oben. Als ich mich umdrehte, lag auf seinem Gesicht der Anflug eines Lächelns.
»Danke. Wo ist Brian?«, fragte ich.
»Der kann nicht kommen.«
Meine Nerven spielten verrückt. »Wieso denn nicht?«
»Luke ist krank.«
Ich war schon zur Tür hinaus und zu Brians Zimmer unterwegs. »Was ist los?«
»Windpocken.«
»Das darf doch nicht wahr sein!«
»Erinnerst du dich an die Mückenstiche, an denen er gestern Abend rumgekratzt hat? Leider waren es keine.«
Luke lag unter der Decke vergraben. Seine Wangen waren heiß, und seine Augen glänzten fiebrig. Seine Brust war von roten Flecken bedeckt. Ich setzte mich auf die Bettkante und strich ihm über das Haar.
»He, Kleiner. Tut mir leid, dass du krank bist.«
»Es juckt so. Kann ich ein Seven-Up haben?«, fragte er.
»Natürlich.«
Brian beendete gerade ein Telefonat. »Das war Nikki. Sie hat für Luke ei nen Termin bei ihrem Kinderarzt vereinbart. Wir sollen in einer Stunde da sein.«
Ich goss Luke sei ne Limo ein und gab ihm das Glas. Brian ging mit mir und Marc nach draußen.
»Schwesterchen, ich muss ihn unbedingt zum Arzt bringen. Tut mir echt leid.«
»Dafür brauchst du dich doch nicht zu entschuldigen. Ich komme schon zurecht. Kümmer du dich um Luke.«
Er sah Marc an. »Ihr drei seid auf euch gestellt.« Dann legte er mir die Hand auf den Arm. »Sei vorsichtig. Das meine ich ernst.«
Als wir die Treppe hinunterstiegen, nahm Marc mich am Ellbogen.
»Ihr drei? Was sollte das denn heißen?«, fragte ich.
»Ich und meine Freunde Heckler und Koch.«
20. Kapitel
Der Cold Springs Country Club von Montecito thronte auf einer Anhöhe, die sich wie ein smaragdgrünes Band an den Fuß der Berge schmiegte. Jenseits der Presslufthämmer und Absperrkegel schimmerte das Klubhaus in ein paar Kilometer Entfernung wie eine Fata Morgana. Als wir an immergrünen Eichen vorbei durch das Tal darauf zufuhren, tauchten die samtigen Fairways des Golfplatzes auf. Marc warf ihnen sehnsüchtige Blicke zu.
»Jesses Familie scheint es finanziell nicht schlecht zu gehen«, meinte er.
»Nicht so, wie du denkst«, erwiderte ich viel zu schroff.
Marcs Augen waren hinter der spiegelnden Pilotenbrille nach wie vor nicht zu erkennen, aber sein breiter Mund kräuselte sich fragend.
»Seine
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