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Gefürchtet

Titel: Gefürchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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anrufen und sie bitten, die Krankenhäuser zu überprüfen. Aber dann würde sie auch in der Leichenhalle nachfragen, und der Gedanke war ihm unerträglich.
    Blieb nur eine Option. Er musste Evans Weg zu rückverfolgen und dort anfangen, wo sie sich getrennt hatten. Er ließ den Motor an, legte den Gang ein und raste vom Parkplatz. Nur noch ein einziges Mal.
     
    Spät an jenem Abend erwachte ich aus düsteren Träumen und hörte Stimmen im Gang. Ich spähte zur Tür. Meine Augen waren fast zugeschwollen, und ich konnte nur verschwommene Umrisse e rkennen.

    Ich döste wieder ein, aber als eine Schwester hereinkam, erkundigte ich mich, was los war.
    »Ich messe Ihren Blutdruck.«
    Mir fielen die Stimmen wieder ein. »Lily Rodriguez ist hier.«
    Sie legte mir die Blutdruckmanschette um den Arm. »Detective Rodriguez? Das ist schon drei Stunden her.«
    »Oh.« Ich schloss die Augen. »Hat Brian Jesse gefunden?«
    Sie löste die Manschette. Es dauerte lange, bis sie antwortete. »Das hat alles bis morgen Zeit.«
    Ihr milder Ton beunruhigte mich auf unerklärliche Weise. »Was ist passiert?«
    »Nichts. Nehmen Sie Ihre Schmerzmittel.«
    Aber irgendwas stimmte nicht. Ich schluckte die Medikamente und versuchte, meine böse Vorahnung zu analysieren, aber das Zeug hatte mir den Verstand vernebelt. Ein flüchtiges Bild erschien vor meinen Augen, eine schwarze Schwinge, die den Himmel zerriss.
    »Schlafen Sie jetzt«, sagte die Schwester.
    Das Phantom verschwand. Mit pochendem Herzen lag ich in der Dunkelheit.
    Ich wusste, was die Erscheinung war: der Tod. Erst als ich am Morgen erwachte, erfuhr ich, wie nah er mir gekommen war.

25. Kapitel
    Licht sickerte durch das Fenster. Vor der Tür rumpelte der Frühstückswagen durch den Gang. Der Fernseher lief, aber der Ton war ausgeschaltet. Das allein war merkwürdig genug. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich scharf genug sah, um zu merken, dass in den Lokalnachrichten über einen Mord berichtet wurde.
    Mühsam schüttelte ich die letz ten Reste von Schlaf ab. Der Bildschirm zeigte die Marina, Segelmasten und den gestrigen Sonnenuntergang. Am Tor lag ein Körper unter einer Plane. Die Kamera fuhr zu rück, und ich sah die glitschige Blutspur, die zu einem Pick-up führte. Zu Marcs Pick-up.
    Mein Körper quittierte jede Bewegung mit heftigem Protest. Der Schmerz hatte sich tief in meinem Inneren festgesetzt und strahlte nach allen Seiten aus. Verwirrt starrte ich auf den Fernseher. Eine Reporterin interviewte auf dem Pier eine Zeugin. Die Frau sagte etwas und deutete auf die Leiche. Ich griff unbeholfen nach der Fernbedienung, quetschte meine Handfläche auf die Tasten und schaffte es tatsächlich, den Ton einzuschalten.
    »… Stöhnen und Schreien«, sagte die Frau. »Als ich an Deck kam, lag der eine Mann am Boden. Der andere rannte an meinem Boot vorbei und schrie dabei jemanden an.«
    Sie deutete auf das hintere Ende des Piers, wo Toby Price seine Jacht liegen hatte.

    »Dann kam die Poli zei mit Einsatz licht und heulenden Si renen. Der Kerl ist in voller Montur vom Pier gesprungen.«
    Eine dünne, auffallend zackige Journalistin erschien im Bild. »Die Polizei sucht noch nach dem Begleiter des Toten. Der Name des Opfers wird zurückgehalten, bis die Familie benachrichtigt ist.«
    Mein Herz raste. Ich atmete tief durch.
    »Es ist Merlin Ming.«
    Ich wandte mich um. Jesse saß in dem Sessel neben dem Bett.
    »Murphy ist ins Wasser gesprungen. Die Hafenpolizei hat ihn bisher noch nicht gefunden. Und Tobys Jacht ist verschwunden.« Er rieb sich die Augen. »Ich würde dir gern etwas Erfreulicheres sagen.«
    Aus seiner zerknitterten Kleidung und der Art, wie er im Sessel hing, schloss ich, dass er einen Großteil der Nacht darin verbracht hatte. Kissen stützten seinen Rücken, die Füße ruhten auf dem Sitz des Rollstuhls.
    »Merlin?«, fragte ich.
    »Ist an einer Schusswunde verblutet.«
    Ich stand unter Schock, aber zugleich hatte ich das unheimliche Gefühl, dass die Vorsehung Jesse zu mir geführt hatte. Die schwar ze Schwinge tauchte mit schmerz hafter Eindringlichkeit vor meinem geistigen Auge auf.
    Er richtete sich kerzengerade auf. »Übrigens war es kein Mord.«
    »Nein?« Ich warf ei nen Blick auf den Bildschirm, der immer noch die Blutspur zeigte. »Er zähl mir nicht, es war Selbstmord.«
    Der Ausdruck auf sei nem Gesicht gefiel mir gar nicht. Er
setzte die Füße auf den Boden, streckte die Hand aus und ließ das Gitter an meinem Bett herunter.
    »Nein.« Er

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