Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
vor Ort koordiniert. O’Hara war ein drahtiger Endfünfziger mit roten, an einigen Stellen bereits ergrauenden Haaren. Der stahlharte Blick seiner blauen Augen wurde durch seine Brille noch verstärkt. Er hatte eine Vorliebe für goldfarbene Krawatten, von denen er bestimmt mehr als hundert besaß. Moore gab ihm eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse. Sie vereinbarten ein weiteres Gespräch für den nächsten Morgen, wenn die anderen Teams ihre Untersuchungen abgeschlossen haben und zu vorläufigen Ergebnissen gelangt sein würden. Moores unmittelbarer Vorgesetzter, der Leiter der Special Activities Division, würde ebenfalls an dieser Videokonferenz teilnehmen.
Einer von Moores örtlichen Kontaktleuten, Israr Rana, ein Agent, den er in seinen letzten beiden Jahren in Afghanistan und Pakistan selbst rekrutiert hatte, traf jetzt im geheimen CIA -Stützpunkt ein. Rana war ein College-Student Mitte zwanzig mit einem scharfen Verstand, vogelartigen Gesichtszügen und einer Leidenschaft für das Cricket-Spiel. Sein Humor und sein jungenhafter Charme hatten der Agency schon viele interessante und wichtige Informationen verschafft. Dies und seine Abstammung – seine Familie hatte in den letzten Jahrhunderten große Soldaten und raffi nierte, erfolgreiche Geschäftsleute hervorgebracht – machte ihn das zu einem fast perfekten Geheimdienstmann.
Moore ließ sich in einen Sessel fallen, während Rana neben dem Sofa stehen blieb. »Vielen Dank, dass Sie gekommen sind.«
»Kein Problem, Money.«
Dies war Ranas Spitzname für Moore. Er war durchaus berechtigt, weil Rana für seine Dienste tatsächlich ziemlich gut bezahlt wurde.
»Ich muss unbedingt herausfinden, wo das Leck war. Haben wir es von Anfang an vermasselt? Waren es die Armee, die Taliban oder beide?«
Rana schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht. »Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um Ihnen darauf eine Antwort zu liefern. Aber jetzt sollte ich Ihnen erst einmal etwas zu trinken holen. Etwas, damit Sie einschlafen können.«
Moore winkte ab. »Ich werde heute Nacht kein Auge zumachen.«
Rana nickte. »Ich werde einige Erkundigungen einholen. Kann ich Ihren Computer benutzen?«
»Er steht dort drüben.«
Moore zog sich ins Schlafzimmer zurück. Nach einer Stunde stellte sich heraus, dass er unrecht gehabt hatte. Er versank in einen Schlaf der Erschöpfung. Er hatte das Gefühl, auf schwarzen Wellen zu treiben, bis ihn sein eigener Herzschlag, der ihm wie das rhythmische Klopfen eines Hubschrauberrotors erschien, jäh aufschrecken ließ. Mit kaltem Schweiß bedeckt, schaute er sich im Zimmer um, seufzte und ließ dann den Kopf wieder auf das Kissen fallen.
Eine halbe Stunde später saß er im Auto und fuhr zurück zum Tatort. Dort angekommen, ließ er den Blick aufmerksam über den zerstörten Gebäudeteil und das benachbarte Technikzentrum schweifen. Zusammen mit zwei örtlichen Polizisten ging er zu dem Zentrum hinüber, zu dem ihm ein Sicherheitsmann Zugang verschaffte. Gemeinsam stiegen sie aufs Dach, wo man bereits einige Zeit zuvor die Patronen des Heckenschützen geborgen hatte, um sie auf Fingerabdrücke zu untersuchen.
Das Problem, wie ihre Gegner den Sprengstoff in das Hotelzimmer schaffen konnten, hatte er seit Stunden in seinem Kopf hin und her gewälzt. Als er dann in einem Reich zwischen Bewusstsein und Traum schwebte, war er auf eine ganz einfache Lösung gekommen. Es war wie eine Offenbarung, eine Art höhere Eingebung. Jetzt musste er nur noch die Beweise dafür finden.
Vorsichtig ging er am Rand des Flachdachs entlang und ließ das Licht seiner Taschenlampe über den ruß geschwärzten Stahl und Beton gleiten … bis er es gefun den hatte.
D ie dem National Clandestine Service unterstellte Special Activities Division ( SAD ) war eine paramilitärische Spezialeinheit, die im Ausland verdeckte Operationen durchführte, die bei einem Fehlschlag von den offiziellen amerikanischen Stellen geleugnet werden würden. Ihr Personal bestand vor allem aus ehemaligen Mitgliedern der militärischen Spezialeinheiten. Die Division war in drei Unterabteilungen aufgeteilt, die jeweils für Einsätze zu Wasser, zu Lande und in der Luft zuständig waren. Moore war wie die meisten Navy- SEAL s zuerst Mitglied der »Maritime Branch« gewesen. Dann war er jedoch zur Abteilung für Landeinsätze versetzt worden und hatte einige Jahre in Irak und Afghanistan gearbeitet. Dort hatte er vor allem den Einsatz von Predator-Drohnen geleitet, die
Weitere Kostenlose Bücher