Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
ausgewaschen worden war. Torres stolperte zweimal über diese Regenfurchen, als sie an dem Friedhof mit seinen weißen, blauen und schwarzen Holzkreuzen vorbeigingen. Der Friedhof wurde von hohen Kiefern und Telefon- und Stromleitungsmasten flankiert. Unterhalb lagen die Ruinen der San-Sebastián- Kirche, deren Türme schon lange zerfallen waren und deren vergilbte und zerbröckelnde Wände von tiefen Rissen durchzogen wurden, die wie Venen wirkten. Auf den oberen Teilen direkt unter dem Dach wucherte Moos und blühte der Schimmel.
Als sie den Gipfel des Hügels erreicht hatten, führte sie Moore zu einer Gruppe von Kiefern, wo sie sich nie derkauerten. Er aktivierte die Kamera seines Smartphones und schaltete das AR S (Augmented Reality System)-App ein, das erweiterte Realitätssystem, mit dem das reale Telefonbild durch weitere computergenerierte Zusatzinformationen in Form von Einblendungen und Überlagerungen ergänzt wird. So öffneten sich zum Beispiel Datenkasten neben einzelnen Bildbestandteilen, die die Größe und Eigenschaft einzelner Strukturen anzeigten. Darüber hinaus berücksichtigte das System die Echtzeit-Streams der Satelliten, die das Haus, wohin man Sonia und Miguel gebracht hatte, ständig überwachten. Moore wusste, dass die Computerleute in Langley sich ebenfalls auf dieses Haus kon zentrierten und ihm innerhalb von 30 Sekunden ihre Er kenntnisse überspielten. Für Audiobotschaften steckte er sich jetzt noch einen Bluetooth-Kopfhörer ins Ohr.
»Torres, sehen Sie das blaue Haus dort unten, das direkt neben dem größeren beigen liegt?«, fragte Moore.
»Ja.«
»Dort halten sie Miguel und Sonia gefangen. Sieht so aus, als ob sie genauso vorgehen würden, wie wir es erwartet haben, also haben wir nicht viel Zeit. Vielleicht telefonieren sie im Moment bereits mit Rojas.«
»Dann ist die Sache für uns gestorben. Wir können ihm wohl kaum mitteilen, dass sein Sohn unsere Geisel ist, wenn diese Typen das bereits getan haben?«
Moore setzte ein schiefes Grinsen auf. »Wir müssen sie eben befreien, um sie selbst zu kidnappen.«
»Warum warten wir nicht einfach, bis Rojas hier erscheint?«, fragte Fitzpatrick.
»Wir wissen doch nicht, ob er das überhaupt tut. Wir wollten ihn zwar dazu zwingen, dass er persönlich hier auftaucht, aber wer weiß, was diese Typen vorhaben«, erklärte Moore. »Vielleicht wollen sie nur Geld, und es ist ihnen egal, wer es ihnen bringt.« Er schaute Torres an. »Sie haben doch einen Feldstecher dabei? Halten Sie doch bitte dieses Haus im Auge. Flexxx?«
Fitzpatrick zuckte zusammen, als er seinen Spitznamen hörte.
»Ich möchte, dass Sie von dort drüben die kleine Polizeistation beobachten. Kommen Sie mit, ich zeige Ihnen die Stelle.«
Die beiden gingen schweigend eine Minute durch die Baumgruppe hindurch, bis sie außer Hörweite waren.
In kürzester Form brachte Moore den DEA -Agenten auf den neuesten Stand.
»Verdammte Scheiße«, sagte Fitzpatrick, dem es fast den Atem verschlug.
»Genau das habe ich auch gesagt.«
»Also ist das ab jetzt eine echte Rettungsmission.«
Moore nickte. »Ich weiß nur nicht, was wir mit Torres anfangen sollen.«
»Er könnte ein Riesenproblem werden – und das sollte kein Wortspiel sein«, sagte Fitzpatrick.
Moore musste über den kleinen Witz kichern. »Im Moment brauchen wir ihn wohl noch. Ich habe nur Angst, dass er Sonia töten könnte. Angekündigt hat er das ja schon einmal. Er meint, der Junge sei dann gefügiger. Er könnte sie also erschießen, wenn wir unsere Aktion durchführen.«
Fitzpatrick zuckte die Achseln. »Im Augenblick können wir ihm nur klarmachen, dass das ein großer Fehler wäre – oder wir lassen ihn in ein kleines Kreuzfeuer geraten …«
»Besser gleich ein Himmelfahrtskommando.«
»Exakt«, rief Fitzpatrick und seine Augen begannen bei dem Gedanken daran zu leuchten. »Wir reden dem Fettsack ein, er sei ein Held.«
»Große Geister denken eben die gleichen großen Gedanken.«
Fitzpatrick nickte. »Ich hätte kein Problem damit. Ich habe mir schon oft vorgestellt, diesen Bastard kaltzumachen, und dann müsste ich es womöglich nicht einmal selbst tun.«
Moore dachte eine Zeit lang nach und schaute auf den Marktplatz hinunter, der von der Kirchenruine teilweise verdeckt war. »Der Karneval beginnt nach Sonnenuntergang. Gewehrschüsse und Feuerwerkskörper klingen nahezu gleich. Das ist das erste bisschen Glück, das wir bisher gehabt haben.«
»Ich bin da nicht wählerisch. Wenn wir
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